Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

September 2022

Wenn man im Gebirge wohnt

Eine Stunde kann verdammt lang sein. Wenn man auf etwas wartet, dann dauert es gefühlt ewig lange. Das war damals mit dem Führerschein für's Auto so oder mit dem 18. Geburtstag. Wir warteten "nur" auf einen Bauern mit seinem Trecker und es sollte nur eine Stunde dauern. Es war eine amüsante Wartezeit, wir haben uns die Zeit kurzweilig gestaltet, mit Geschichten, mit Witzen.

Irgendwann, mittlerweile war es schon dämmerig, kam ein riesiger, grüner, ziemlich neuer Traktor rückwärts auf uns zugefahren. Der Bauer hatte es echt drauf. Gerade so, als würde er den Weg stündlich rückwärts fahren, kam er den Hügel runter. 5, 6 Meter vor dem LKW kam er zum Stillstand. Er stieg aus gefühlt 10 Metern Höhe aus seinem Traktor aus und begrüßte uns. Dann inspizierte er den LKW und sagte ok, versuchen wir es. Vom Trecker holte er eine schwere Kette, so eine, wie sie bei Zugbrücken früher verwendet wurden oder wie Hochseedampfer sie zum Ankern benötigten. Für so einen Truck brauchte man schon schweres Gerät. Und diese Kette würde vermutlich nicht reissen. Das war nämlich meine große Sorge gewesen, dass der Trecker kommen würde und zu klein wäre oder der Bauer eine Kette mitbringen würde, die bei diesem Gewicht und der Steigung und dem Matsch sofort reißen würde. Aber diese Kette, die würde halten. Und zu dem Traktor hatte ich auch absolutes Vertrauen. Die Hinterreifen hatten mindestens eine Höhe von 2,60 Meter. Vermutlich aber viel mehr. Und das Profil würde sich vermutlich bis auf den Granit eingraben. Und da gäbe es dann auf jeden Fall festen Halt und den Rädern.

Nun musste die Kette aber angebracht werden und alle begannen nun aufgeregt zu suchen, wo den nun der Abschlepphaken sitzen würde. Der aufmerksame Leser, der von Anfang an dabei ist, wird nun laut aufschreien und uns zurufen: Ihr Blödmänner, das ist doch ein Automatikfahrzeug, den kann man doch gar nicht abschleppen. Auf diesen Trichter waren wir aber auch schon gekommen. Wilde Panik. Was nun? Die Köpfe rauchten. Meine Frau telefonierte mit ihrem Bruder in Kolumbien, auch ein gelernter und erfahrener LKW Fahrer. Diesen LKW da herauszubekommen wäre nur rückwärts möglich. Dazu musste der LKW aber erst einmal gewendet werden. An dieser Stelle müsst ihr euch visualisieren, dass die Einfahrt zum Hangar so knappe 8 - 10 Meter breit ist. Nach rechts in Fahrtrichtung stand der LKW am Hang. Im Matsch. Der Feldweg ließ rechts und links vom LKW vielleicht noch einen Meter Spielraum. Ein Husarenstück nun bei diesem glitschigen Untergrund wieder rückwärts in die Einfahrt zu fahren, dann nach links wieder rauszufahren und sich dann rückwärts so gut wie möglich in Stellung
zu bringen um dem Traktor die Möglichkeit zu bieten das Fahrzeug an die Anhängerkupplung zu koppeln und ihn dann rückwärts heraus zu ziehen. Eine Herausforderung für den Bauern aber auch für Roland. Er musste nun den Motor anschmeissen und dann den Wagen im Leerlauf rückwärts navigieren.

Man merkte Roland die Anspannung an. Diesen Tag hatte er sich ganz anders vorgestellt. Um ehrlich zu sein … ich auch. Ich telefonierte wieder mit Marie-Annick. Ja, Marie-Annick ich bin es noch mal. Nein, wir sind noch nicht auf dem Weg. Es wird wohl eher kur vor 21:00 h werden. Ob sie denn schon essen dürften, wollte sie wissen. Ja, natürlich. Bitte kaufe für jeden eine Pizza und nehme sie mit nach hause. Wir essen sie dann bei dir! Und da war es dann, das nächste Problem. Ich sollte aufschreiben, wer denn welche Pizza haben möchte und hatte nun alle danach gefragt. Ich rief Marie-Annick zurück und gab ihr die Bestellung durch. Perfekt. Bis gleich … und euch einen Guten Appetit.

Das tat mir nun unendlich leid. Wir hatten alle zum Essen eingeladen und das endet nun in einem totalen Chaos. Ich hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da klingelte mein iPhone wieder. Die Pizzen hätten in Frankreich andere Namen, was denn auf den gewünschten Pizzen drauf sein sollte. Ich fragte wieder rum und notierte mir die einzelnen Wünsche. Dann rief ich zurück. Nun muss es rund sein, dachte ich …. Bis mein iPhone wieder klingelte. Es
war wieder Marie-Annick. (Nun habt ihr den Namen aber drauf, nicht wahr?). Sie berichtete, dass die Pizzeria mit dem heutigen Tag die Saison abschliessen würde. Und weil der Laden nun für 5 Monate dicht machte, hätten sie nicht mehr alle gewünschten Zutaten. Dann sollen sie eben sechs Pizzen machen, die eine Ähnlichkeit mit den gewünschten Sorten von Pizza hätten. Und bitte noch eine weitere Pizza extra, für den Fall, dass ….

Die Schlammschlacht mit dem LKW, die von RTL oder Pro7 auch als Challenge hätte verfilmt werden können, hatte begonnen. Wir verabschiedeten uns von den Verkäufern des Hauses Sandra und Bernard und fuhren nun mit unseren PKW'S in Richtung des Endes dieses Feldweges bei dem dann hoffentlich bald ein Trecker und ein rückwärts angehängter LKW auftauchen sollten.

Und tatsächlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit, sahen wir die Lichter, die zunehmend größer wurden. Wir standen mit unseren Autos am Straßenrand und warteten. Als erstes kam der Trecker, ohne LKW! Nee, nicht das noch? Wieder irgendein Zwischenfall? Er hielt mitten auf der Straße und strahlte uns mit seiner Festbeleuchtung an. Der Bauer kam auf uns zu, strahlte und meinte, dass alles klar sei. Ich zückte mein Portemonnaie und wollte ihm die 50 € geben, die wir ausgehandelt hatten. Er winkte ab und sagte, dass Roland ihn schon bezahlt hätte. Meine Frau machte dieser Umstand, dass der LKW nun wieder aus eigenen Stücken fahren konnte so glücklich, dass sie dem Bauern noch einmal 20 € in die Hand drückte. Das wollte er nun wirklich nicht, das wäre nicht verabredet gewesen. Keine Widerrede, sagte ich, wollte dann aber von ihm wissen, ob er uns den frische, noch nicht entrahmte Milch verkaufen würde. Maelle bräuchte sie zur Käsezubereitung. Wir erhielten seine Zusage.

Dann düsten wir los. Die Pizzen würden auf jeden Fall bereits kalt sein, denn der Weg über die N in Richtung Rennes und dann Redon ist zwar angenehmer zu fahren, dauert aber wegen der größeren Fahrtstrecke auch länger. Um 23:00 plus minus ein paar Minuten standen wir vor Marie-Annicks Haus. Sie hatte auf uns gewartet und den Tisch noch gedeckt. Nun wärmte sie jede Pizza einzeln noch einmal auf und servierte uns nicht nur das Essen, sondern auch noch Getränke.

Die Stimmung war ausgezeichnet. Wir haben über alle unsere Erlebnisse an diesem Tag herzlich gelacht. Die besten Szenen werden wir wohl demnächst bei Stefan sehen, denn er hat viele Situationen
mit seiner GoPro dokumentiert und uns bereits erzählt, dass wir vermutlich aus dem Lachen nicht heraus kämen. Zu den ganzen Erinnerungen gehören auch die Nächte in den Zelten. Aber das wird es auch aus der anderen Perspektive zu lesen geben.

Was wir bisher noch nicht erlebt hatten

Dinge gibt's, die gibt's gar nicht. Glaubt ihr nicht? Dann lest doch bitte einmal die folgende Geschichte.

Es war Morgen, der Freitagmorgen. Auf dem Programm stand heute, dass wir morgens bei Marie-Annick frühstücken würden. Danach müssten wir den LKW betanken. Am besten bei Intermarché, dort ist es nicht kompliziert. Dann würden wir uns auf den Weg nach Plusquellec machen, um 12:00 h dort ankommen, den LKW abladen und den kompletten Hausrat in den Hangar stellen und dann rechtzeitig wieder nach Redon zurück fahren. Martine und Marie-Annick hatten auf meinen Wunsch einen schönen großen Tisch um 18:30 h für 10 Personen in einer Pizzeria reserviert. Check.

Morgens war bei unseren lieben Helfern erst einmal Knochen sammeln angesagt. Man schläft halt doch nicht mehr so oft in einem Zelt. Dieser Vorgang zog sich dann inklusive einer schönen warmen Dusche mehr in die Länge als ursprünglich vorgesehen. Zeit verblieb dennoch ausreichend, denn unser Ziel war es ja zwischen 12:00 h und 13:00 h mit dem Ausladen zu beginnen.

Der Weg vom Campingplatz zu Marie-Annick und Bernard ist in fünf Minuten zu bewältigen. Viel länger hat es auch nicht gedauert. Das Frühstück war eine Eheschliessung aus französischem und deutschem Frühstück. Unsere Freunde waren oft genug in Deutschland um den Unterschied zwischen den Kulturen in dieser Hinsicht zu kennen. Das traditionelle Frühstück besteht in Frankreich aus Kaffee, Tee oder Kakao als Getränk, Baguette und Marmelade oder Konfitüre. Gelegentlich, vor allem in Hotels, bekam man auch schon einmal Butter, Käse und Wurst dazu. Die Zeiten haben sich geändert. In französischen Hotels geht es auch schon sehr viel europäischer zu als vor einer Dekade. Bei unseren Freunden stellte sich das Frühstück eben vielseitiger und europäischer vor. Das gefiel auf jedem Fall unserem Frankreich Novizen Stefan. Es war sein erster bewußter Aufenthalt in Frankreich. In einen französischen Haushalt hinein zu schnuppern ist dann noch einmal was ganz anderes. Die Häuser sind anders, die Inneneinrichtungen sind anders. Klar, man sitzt auf Stühlen und ißt an einem Tisch. Es sieht dennoch alles anders aus.

Ist es auch, denn der französische Geschmack hinsichtlich z.B. der Einrichtung eines Hauses birgt ein ganz besonderes Flair. Für mich ist alles geschmackvoll farbenfroher und oft auch blumiger. Ich mag das. Es ist total gemütlich. Natürlich fand ich unsere deutschen Einrichtungen auch geschmackvoll. Gegenüber dem französischen Geschmack muss man es aber eher als steril betrachten. "Chaqun a son goût" ("jeder hat seinen Geschmack" oder eben "Jedem das Seine").

Franzosen essen morgens auch generell nicht viel. So etwas kann ich ja gar nicht. Ich brauche was zwischen die Kiemen. Darum bin ich beim Frühstück grundsätzlich der Letzte, der den Tisch verlässt. Insofern gab es sicher den einen oder anderen, der ungeduldig gewartet hat, dass es endlich los ging. Irgendwann bin ich dann auch fertig.

Bevor wir uns auf den Weg nach Plusquellec machen konnten mussten wir ja noch zu Intermarché. Roland und Stefan schwangen sich auf ihren Bock, der in ca. 150 m Entfernung vorne an der D (Départementale) auf uns warten musste, weil er zum Frühstück nicht mit rein durfte und wegen seiner Ausmaße auch nicht rein konnte. Die D war aber breit genug. In kurzer Zeit waren wir an der Tanke. Die folgenden Geschehnisse spare ich aus, denn dazu wird es auch eine andere Perspektive geben, als ich sie hatte. Lesenswert …. wird sie allemal sein. Zur Erinnerung die erste Episode spielte sich in der Berliner Str. in Wachtendonk ab. Die nächste Episode nun bei Intermarché.

Ich fahre nun einfach mit meiner Schilderung fort. Die kürzeste Strecke führte quer durch die Bretagne von Süd-Ost Richtung Nord-West und obwohl es nur knapp 160 km waren würde unsere Fahrt über zwei Stunden dauern. Auf französischen Autobahnen (A wie Autoroute) gilt weitestgehend die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Auf den N (wie Nationale) darf man noch 110 km/h schnell sein. Und 90 km/h beträgt die Höchstgeschwindigkeit auf einer D (Départementale). Ein LKW ist in der Geschwindigkeit werksmäßig bereits auf 90 km/h begrenzt. Dennoch versuchen manche LKW Fahrer das Letzte aus ihren Brummis raus zu kitzeln. Unser Weg, … so einmal quer durch die Bretagne, führte ohnehin nicht über ausschließlich gerade Wege. Außerdem muss man sich die Bretagne, je weiter man hineinfährt wie die kleine Schwester des Sauerlandes oder der Eifel vorstellen. Es geht rauf und runter und das nicht selten in Serpentinen.

https://de-de.topographic-map.com/map-92qm2/Bretagne/?center=46.90525%2C-4.28467&zoom=6

Irgendwann nach 13:00 h waren wir dann aber angekommen. Und erlebten unser blaues Wunder. Der Vorbesitzer hatte uns Fotos vom Feldweg zum Hangar gesendet. Allerdings hatte er seine Fotos immer aus einer Position aufgenommen, die auf den Fotos eine Gerade erkennen ließ. Dummerweise standen wir nun dort vor Ort und sahen uns zwei unüberwindbarer Kurven gegenüber. Eine fast in einem 90 Grad Winkel. Völlig unmöglich mit einem 12 Tonner dort hoch zu fahren. Unser Problem war eng, kurvig und steil. Nun plötzlich, nachdem ich dem Vorbesitzer Angaben über unseren LKW sogar mit Fotodokumentation und Maßen gesendet hatte, gab er sich als früherer LKW Fahrer zu erkennen und schätzte die Situation als "nicht machbar" ein. Vermutlich hat er ein seiner aktiven Arbeitszeit so einen Milchwagen gefahren wie wir sie aus den Miss Marple Filmen oder dem Bond Film kennen. So, wie er da nun stand, erschien er ein wenig hilf- und ahnungslos!

Es dauerte mehr als eine halbe Stunde, in der wir sogar erwogen das ganze Unternehmen abzubrechen und wieder zurück zu fahren, bis das unser ehemaliger Milchkutscher erzählte und vorschlug von oben an den Hänger heran zu fahren. Von oben? Wir schauten hoch, sahen aber nur Wolken. Was er meinte war, dass man über die D28 nach einer Fahrt von vielleicht drei Kilometern zu einem Feldweg gelangen würde, über den man den Hangar erreicht. Da wir ohnehin keine Wahl hatten und er sich bereit erklärte mit Roland mitzufahren und ihm den Weg zu zeigen, nahmen wir das Angebot dankend an.

Wir verloren wertvolle Zeit. Nervös, ziemlich angefressen, tigerten wir von Hangar zum Feldweg und wieder zurück bis endlich das Geräusch zu hören und später auch der LKW zu sehen war. Wir Wartenden hatten ja keine Ahnung, wie lange diese Fahrt dauern würde waren nun aber froh, dass der LKW da war und wir mit dem Abladen beginnen konnten.

Hätten wir den Platz im Hangar nicht zur Lagerung benötigt, hätte man mit dem LKW rückwärts reinfahren können. Wir hatten keine Vorstellung davon, wie viel Platz wir brauchen würden, wenn der Wagen am Ende völlig abgeladen war.

Anfangs ging alles sehr flott. Die beiden Fahrer und Beifahrer auf dem LKW brachten die Sachen auf die Rampe, die etwas heruntergefahren war und wir anderen vier nahmen alles entgegen und brachten es auf Anweisung von Maelle an irgendeine Stelle. Wein rechts, Möbel hinten rechts, die Couchen da in der Mitte, die Matratzen auch …. Und so weiter. Erste Zweifel kamen auf, ob wir wohl rechtzeitig zum Essen auch wieder in Redon sein würden. Na klar, sagte ich und war mir absolut sicher, dass der LKW um spätesten 17:00 h leer sei.

Was soll ich euch sagen? Er war kurz nach 17:00 h leer. Alles im grünen Bereich. Und obwohl wir nach meiner Berechnung nur eine kleine Verspätung von 10 oder 15 Minuten haben würden, rief ich in Redon an um den Freunden mitzuteilen, dass wir wohl mit einer kleinen Verspätung erst eintreffen würden. Wir seien aber fertig und würden nun losfahren. Ich würde mich von der Strecke noch einmal melden und wir würden über die Nationalstrasse fahren, weil es mit eingehender Dunkelheit doch angenehmer zu fahren sei.

Der LKW wurde gestartet und fuhr langsam los. Es hatte in der Zwischenzeit einen dauerhaften Landregen gegeben und die Wiese war nun sehr glitschig. Aber Roland steuerte das Fahrzeug mit Bravour von der Wiese, durchquerte das Tor, bog nach rechts ab, wo es dreißig bis vierzig Meter bergan ging und steckte plötzlich im Moder fest. Egal wieviele Tonnen der LKW nun noch auf die Wage brachte, dieses Gewicht drückte ihn bei jeder Vorwärtsbewegung immer tiefer in den Modder. Nichts ging mehr. Der LKW saß hoffnungslos fest. Nun war guter Rat teuer. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber dazu kommen wir später.

Alle Versuche und guten Ideen den LKW wieder frei zu bekommen liefen ins Leere. Die Spurrillen wurden immer tiefer. Jeder der ein Telefon hatte, telefonierte mit jemandem der möglicherweise einen Rat hätte geben können. Ich telefonierte mit Redon um mitzuteilen, dass es wohl doch erheblich viel später werden würde, weil wir wegen des plötzlich völlig verschlammten Boden nicht mehr raus kämen. Tja, Bernard, was fällt dir nun Guten ein. Bernard überlegte, wie ein englischer Milchfahrer so überlegt und brachte dann das Wort "Traktor" heraus. Man müsste einen Bauern fragen. Wo Bernard, wo? Wollte ich wissen. Es gab nur einen! Klar Highländer… Es kann nur einen geben. Und der hatte seinen Hof am Ende dieses Feldweges. Dort, wo der Feldweg auf die Landstraße stösst. Ich also zum Auto. Stefan begleitete mich. Ich fuhr recht zügig weil mir nun mehrere Menschen unzufrieden zu werden drohten. Die Freunde in Redon und alle Mitreisenden in Plusquellec. Der Einzige, den das alles nur ganz am Rande berührte war … Bernard (englische Sprechweise).

Am Horizont unserer Reise angekommen sahen wir mehrere Häuser. Alle immer auch verdeckt durch Baumbestand. Und davon gibt es hier in der Bretagne reichlich. Normal total schön, wenn du aber dringend einen Bauern suchst, ist das etwas hinderlich. Am Ende des ersten abführenden Weges ein schönes großes bretonisches Haus aber kein aktiver Bauernhof. Aber da, auf der gegenüberliegenden Seite, eine große Scheune oder ein großer Stall. Ich fuhr in den Weg rein, der nicht mit glitschig und moderig war, und sorgte mich darum selber mit meinem Volvo stecken zu bleiben. Bei einem LKW hat man zumindest noch die Bodenfreiheit. Mit einem PKW und einem Spurrillen gezeichneten Weg ist die Chance stecken zu bleiben riesig groß.

Bis zur Scheune schafften wir es. Ich stieg aus, lief rum, versuchte mehrere Türen, sah aber keine Menschenseele. Nur Kühe. Dicke Kühe. Milchkühe. Ich stieg wieder ein und fuhr zu einem anderen Stall mit angeschlossenem Wohngebäude. Da, ein Eingang. Auto auf, schnellen Schrittes dorthin und geklingelt. Nichts. Niemand rührte sich. Wieder zum Auto zurück. Ups, da ist ja noch eine Haustür. Vielleicht wohnt der Bauer ja dort? Wieder raus, hin zur Tür und geklingelt. Plötzlich machte jemand auf und ich begann meine Geschichte zu erzählen. Und nachdem ich fertig war, erzählte mir der Mann in der Haustüre im englischsten Englisch, dass er nicht der Bauer sei. Er wohne nebenan. Und wenn er nicht da wäre, dann solle ich im Stall nachsehen. Nun wäre die Zeit des Melkens und Fütterns.

Wieder rein ins Auto und wieder durch den Matsch zum Stall. Stefan und ich, wir konnten uns trotz der Brisanz dieser Situation das Lachen nicht verkneifen und machten witzige Sprüche zu unserer Situation. Zumindest war da ein Hoffnungsschimmer. Noch nie haben wir uns so sehr nach einem menschlichen Kontakt zu einem französischen Landwirt gesehnt. Und wir hatten Glück, denn er war nicht an der aktuellen Folge von Bauer sucht Frau auf RTL beteiligt und guckte, nachdem ich mich noch einmal lautstark bemerkbar gemacht hatte plötzlich zwischen seinen Kühen hoch. Und dann stand er vor uns. Ich erzählte ihm unsere Geschichte und fragte, ob er uns helfen könne und den LKW aus dem Schlamm ziehen könne? Er so: "Wann?" Ich: "Wenn es ginge, dann nun!" Er so: "Nein, er müsse sich um seine Kühe kümmern! Die müssten gemolken und gefüttert werden!" "Und danach?" Fragte ich ihn schon ziemlich kleinlaut und mit weinerlichem Unterton um sein Herz zu erweichen. "Das könne er tun, das würde aber noch eine Stunde dauern! Und er würde es nicht gratis machen!" Ich: "Wieviel?" Er:"50 Euro!"

Ich musste nicht lange überlegen. Auch wenn er nun 100, 150 oder 200 € gesagt hätte. Es hätte keine Option gegeben. Ich sagte zu und wir schlugen ein. So, wie man das bei einem Kuhhandel eben macht. Ein Mann, ein Wort. Ein Bauer, 50 €!! "Aber", sagte er "Ihr müsst warten, bis ich meine Kühe versorgt habe. Tja, uns blieb nichts anderes übrig, als zu warten.

Und ihr müsst nun auch warten. Bis morgen Abend, denn ich bin nun wieder hundemüde und die Uhr hat schon vor geraumer Zeit Mitternacht geschlagen.

Also, wir lesen uns morgen.

Die kurze Nacht

Wer von euch geglaubt hat, dass es mit dem Verladen der Möbel getan war, der kennt meine Frau nicht. Ich war hundemüde und warf mich, mit der Perspektive auf etwas über drei Stunden Schlaf auf die Luftmatratze in unserem ansonsten völlig leeren, alten Schlafzimmer. Währenddessen legte meine Frau noch einmal Hand an und fegte und putzte alle anderen Räume noch einmal durch. Ich habe nicht wirklich gemerkt, wann sie auch endlich auf der Luftmatratze lag.

Um pi mal Daumen 03:00 h morgens klingelten dann die iPhones. Nun hieß es raus. Raus aus dem Bett und raus aus dem Haus. Die letzten Klamotten noch gepackt und in den dafür vorgesehenen Platz in den Dachgepäckträger verstaut. Ich hatte mir glücklicherweise vor unserer Reise im Juni über eBay Kleinanzeigen noch eine besonders geräumige Ausführung gekauft. Da ging eine Menge rein. Das Ding war aber auch bis auf den letzten Millimeter gefüllt und mit großer Wahrscheinlichkeit an der Grenze der gesetzlich zugelassenen Dachlast. Das bedeutete, dass ich nicht nur wegen des Lasten-Anhängers sondern auch wegen Dachgepäckträgers recht vorsichtig fahren musste.

Nachdem alles verstaut war, fuhr auch schon der erste Helfer und Beifahrer vor. Stefan ist ein zuverlässiger Kerl und ausgezeichneter Freund auf den man sich verlassen kann. Und er kennt auch das Motto: "Eine Hand wäscht die andere!" Kaum war er ausgestiegen fuhr das nächste Auto mit Roland, Bianca und Levin vor. Alle vor der vereinbarten Abreisezeit. Das lief wie am Schnürchen. Bianca hatte freundlicherweise für alle drei Fahrzeuge das Proviant inklusive eines guten Kaffee's vorbereitet. Und dieses Buffet konnte sich wahrlich sehen lassen. Von den Brötchen über den Kaffee bis hin zu Obst und Süßigkeiten war alles im Warenkorb enthalten. Letzte Absprachen, Kontrollen aller drei Fahrzeuge und die letzten WC-Besuche verzögerten die Abreise dennoch um einige Minuten. Da wir jedoch eine recht ruhige Strecke zu fahren beabsichtigten, sollte das kein wirkliches Problem darstellen.

Wir fuhren zunächst bis nach Venlo vor dem LKW und dem Citroen, der die Nachhut bildete, hatten vorher aber bereits angekündigt, dass wir voraus fahren würden um auf dem Campingplatz unsere Comtesse auf ihren Stellplatz zu bringen und das Nigel nagel neue Isabella Vorzeit aufzubauen. Nach vielen Überlegungen im Vorfeld, hatten wir den Beschluss gefasst die erste Nacht in Bains sur Oust auf dem Campingplatz zu verbringen und erst am nächsten Morgen nach Plusquellec weiter zu fahren.

Über unsere iPhones hatten wir eine ständige Übersicht, wer sich gerade wo auf der Strecke befindet. Auch mit unserem PKW konnten wir wegen der Last am Hintern und auf dem Dach nicht viel schneller fahren als ein LKW. Dennoch hatten wir schon schnell einige Minuten gut gemacht. Nur unwesentlich auf der Strecke von Venlo nach Liège. Als wir dann die Grenze nach Frankreich überschritten machte sich aber schnell bemerkbar, dass unser "bip&go" Vorteile brachte. Bip&Go ist die Télépéage (Mautgebühren) auf den französischen Autobahnen. Wir haben in unseren Volvos rechts neben dem Rückspiegel eine kleinen Chip kleben, mit dem wir bei maximal 30 km/h Höchstgeschwindigkeit durch den mit "T" gekennzeichneten Kanal durchfahren können. Kein Karte mehr reinstecken oder Kleingeld suchen. Einfach langsam durchfahren.

https://www.bipandgo.com

Oben rechts auf der Homepage auch in Deutscher Sprache auswählbar. Außer der einmaligen Anschaffung des Chips (max. 20 €) fallen lediglich dann Kosten an, wenn man das Ding aktiv nutzt. Abgerechnet werden dann für jeden Monat der tatsächlichen Nutzung 1,70 €, plus der in dem Monat entstandenen Mautgebühren (die im Folgemonat vom Konto abgebucht werden).

Blöd ist nur, wenn dann ein unerfahrener Touri ohne so ein Ding in dem Fahrstreifen steht und die Schlange wegen seiner Blödheit (Unerfahrenheit) bereits auf vier Fahrzeuge angewachsen ist und wir - mit unserem Anhänger - an Nummer zwei stehen und alle zurück müssen. Das hat uns dann doch Zeit gekostet.

Wir fuhren in den Tag hinein, deshalb hielt sich eine eventuell aufkommende Müdigkeit, dank der aufgehenden Sonne, des Kaffee's und guter alter Rockmusik in Grenzen. Lediglich ein einziges Mal kam es auf dem ersten Teil der Fahrstrecke zu einem Stau. Wegen einer Baustelle verjüngten sich die zur Verfügung stehenden Fahrbahnen von drei auf zwei. Und dort, wo die Baustelle beinahe zu Ende war, stand dann auf der rechten Fahrbahn eine Mercedes mit einer jungen Frau. Ich hoffe nicht, dass ihr nur der Sprit ausgegangen war.

Über Mons, Amiens bis Rouen und Le Havre durchkreuzten wir Frankreich. Das ist aktuell die preiswerteste und am wenigsten befahrene Strecke. Ungefähr alle zwei Stunden machten wir eisenkurzen Stopp. Pipipause. Ich hatte ja mit Maelle und Layla zwei Frauen an Bord. Und der liebe Bill muss noch nicht mal müssen. Dem ist das so schon zu langweilig im Auto. Der beginnt schon zu protestieren, wenn der am Strassenrand mehrere Bäume sieht, die wie ein Wald aussehen. Und dieses bettelnde Janken ist nicht auszuhalten. Was das angeht versuchen sich Maelle und Bill gegenseitig zu übertreffen.

Bei Le Havre führt unser Weg über die Pont de Normandie. Eine Aufsehen erregende Brücke über die dort ins Meer mündende Seine. Eingangs Le Havre sieht man eine Bogenbrücke, die schon sehr eindrucksvoll wirkt. Nähert man sich ihr aber, dann wird einem klar, dass das wirklich großartige Bauwerk erst die nächste Brücke ist. Diese Pont de Normandie ist auch Maut pflichtig.

https://de.wikipedia.org/wiki/Pont_de_Normandie

Glücklicherweise gab es auf der Strecke keine weiteren Vorkommnisse. Wir hatten trotz unserer häufigen Pausen dennoch einen Vorsprung von etwas über eineinhalb Stunden aufgebaut als wir am Camping bei Jean-Marie ankamen.

https://www.campingileauxpies.com

Claudie und Jean-Marie halfen uns den Wohnwagen schnell auf seinen Platz zu befördern und meinen Anhänger auf dem Parkplatz abzustellen. Dann machten wir uns an den Aufbau des Vorzeltes. Den Aufbau hatten wir uns auf der Messe am Isabella Stand erklären lassen. Und die machten das, dank der neuen, modernen Carbon Gestänge in wenigen Minuten. Ich gebe zu, in der kurzen Zeit haben wir das nicht geschafft. Dazu fehlt uns einfach die Erfahrung. Dennoch stand alles in kürzester Zeit. Und es hätte noch schneller gehen können, wenn meine Frau nicht jeden Arbeitsschritt mit einer Putzaktion beenden würde.

Letztendlich waren wir aber fertig als der LKW auf den Campingplatz fuhr. Das sollte er zwar nicht, aber da er nun schon da war, ließ Jean-Marie zu, dass er auf dem Parkplatz des Campings abgestellt wurde. Und, als würden Bianca und Roland "den LKW" bewachen wollen, wählten sie sich das Zelt direkt neben dem LKW als Übernachtung aus. Stefan und Levin entschieden sich für die Zelte auf Stelzen, die sie dort liebevoll "Dilitente" nennen. Claudie brachte für alle die Wäsche- und Deckenpakete und machte teilweise schon die Betten.

An diesem Abend waren wir zum Essen eingeladen. Mein ältestes Enkelkind, mein ganz besonderer Kumpel Levin, hatte am diesem Tag Geburtstag, den wir dann bei Marie-Annick und Bernard gemeinsam mit Martine und Pierre feierten.


Der letzte Tag in Deutschland

Bevor ich weiter schreibe möchte ich euch eine Vorankündigung machen. Es wird an dieser Stelle bald einen Gastbeitrag geben. Das Unternehmen Umzug mit Hindernissen von einem Beteiligten aus einer anderen Perspektive betrachtet.

Roland und ich waren ja auf dem Weg nach Krefeld um den LKW dort abzuholen. Ich möchte an dieser Stelle die Firma StarCar lobend hervorheben. Die Mitarbeiterin an der Rezeption war sehr freundlich und hilfsbereit. Sie hat sich am Ende der vielen eingetragenen Daten noch einmal die Mühe gemacht alles neu zu schreiben, weil ich ja das Fahrzeug leihen und mit meiner Karte bezahlen wollte. Blauäugig wie wir waren, glaubten wir, dass es egal sei, wer die Ausleihe bezahlt. Wir nahmen das volle Programm, gerade so als würden wir im Supermarkt an den Regalen vorbei laufen und überall mal reingreifen und etwas in unseren Warenkorb werfen. Natürlich war auch eine Versicherung dabei und so, wie wir dachten ein Navigationsgerät. Das gab es bei diesem Fahrzeug aber nicht serienmäßig, das hätte man dazu buchen müssen. Ach nee, dann fahren wir mit dem Navi vom Handy.

Die Großzügigkeit kannte keine Grenzen. Nachdem ein erfahrener Mitarbeiter das Fahrzeug und alle Spielereien mit der Hebebühne erklärt hatte, versorgte er uns noch mit dem Harnstoff. Nicht was ihr nun denkt. Der hat nicht in den Tank gepinkelt, das hätte niemals ausgereicht. Er schleppte gleich mehrere Kanister von diesem AdBlue an ohne dem die modernen Dieselfahrzeuge nicht mehr laufen. Gut, dass ich nur alte Volvos habe, dachte ich! Nun sollten wir zur Vorsicht auch noch mal tanken, denn neuerdings werden die Fahrzeuge mit dem Füllstand bei Ablieferung weitergegeben. Deutlicher Vorteil für das Vermietunternehmen. Insbesondere bei diesen hohen Preisen und den starken Schwankungen. Kleinvieh macht auch Mist. Und bei einer 200 Liter Tankfüllung kommt schon eine Menge Mist zusammen bei Schwankungen von 10 Cent oder mehr pro Liter. Auf jeden Fall würde es in allen Ländern, sobald man Deutschland verlassen hat, preiswerter werden.

Für High Noon, also zwölf Uhr Mittags hatte ich um Hilfe gebeten. Als wir mit dem LKW vor 12:00 h bereits da waren, standen auch schon die ersten Helfer vor unserer Türe. Das war erfreulich, denn auf Hilfe waren wir definitiv angewiesen. Roland, Stefan (die auch beide mitfahren würden) standen auf dem LKW um das Umzugsgut entgegen zu nehmen und zu verstauen. Sie gaben auch die Reihenfolge der zu beladenen Dinge an. Uwe, Fabian, Hasan, Wolfgang, Uli, Carola, Nina liefen wie Ameisen in ihren Bau …. Also unser altes Haus und kamen mit dem fünffachen ihres Eigengewichtes wieder raus. Das ging verdammt flott, so flott, dass es nach knapp dreißig Minuten so aussah, als würde in der Berliner Straße ein Flohmarkt abgehalten.

Vermutlich wäre das keine gar so schlechte Idee gewesen, wenn wir das eine oder andere noch entsorgt hätten. Denn dann wäre das beladen des LKW deutlich einfacher und schneller voran gegangen. So aber wurde hin und her gepuzzelt um so viel wie möglich noch mit zu bekommen. Was von vorn herein nicht möglich schien, war letztlich auch unmöglich! Manche Dinge fanden noch Abnehmer, andere wurden zunächst an der Straße, später dann in der Garage dem Sperrmüll zugeführt.

Wenn ich ganz ehrlich bin. Es gab ein paar Sachen, die mir echt am Herzen lagen und die wir dann Freunden zur Einlagerung gegeben haben. Vieles aber hätten wir vorher schon entsorgen müssen. Am Ende der Aktion hätte noch nicht einmal ein Furz in den LKW gepasst, so voll war er gewesen.

Zu Mittag hatte ich allen Helfern eine Auswahl an Pizzen gekauft. Nachdem die Hebebühne, (die alles quasi auf Spannung halten musste, dann hochgefahren worden war, gingen wir ein letztes Mal zu Toni etwas essen.

In unserem alten Schlafzimmer lag eine Luftmatratze, unsere Kleidung für die Reise sowie unsere Kulturbeutel. Gegen 23:30 h gingen wir schlafen. Das Haus war immer noch nicht leer. Manuel und Saskia wurden gebeten die Lumpensammler zu spielen und den Rest leer zu räumen und in Sicherheit zu bringen. Darunter auch meine Apple Sammlung. Gott, was viel mir das schwer, die dort stehen zu lassen. Um vier Uhr morgens sollte es los gehen.

Bianca und Roland würden um halb vier mit ihrem Auto, Levin und den drei Hunden aus Goch kommen. Zuvor kam aber schon Stefan, unser erfahrener Umzugsunternehmen Mitarbeiter, der sich schon tags zuvor der weiblichen Wissensmacht unterwerfen musste. Gerade als Stefan und ich unseren Lasten-Anhänger mit Kartons beladen wollten, schlich sich Maelle von hinten an, sagte …. sooooo nicht und begann die Kartons auf dem Anhänger umzuräumen. Stefan stand mit verwundertem Blick dahinter als ich ihn damit trösten wollte ihm zu sagen, dass mir das täglich so erginge.

Bianca hatte freundlicherweise die Verpflegung organisiert. Jedes Fahrzeug wurde mit Proviant versehen. Kaffee, Brötchen, Obst und Süßigkeiten. Kein Picknick konnte schöner sein. Noch einmal kurz alles durchgegangen. LKW voll, Fahrer und Beifahrer bereit und versorgt. Schwarzer Volvo mit Dachgepäckträger, Rückbänken, Hunden und Lasten Anhänger voll und verpflegt. Begleitfahrzeug mit Fahrerin, Beifahrer, drei Hunden und Reisegepäck voll und verpflegt. Der zweite, der blaue Volvo war ebenfalls voll bis an die Dachkante. Der würde aber noch zwei Tage dort stehen bleiben um von Manuel und Saskia überführt zu werden.

Das ganze Haus in einem LKW, zwei Volvos und einem Anhänger. Check.

Der Countdown läuft

Die Situation spitzt sich zu. Möglicherweise habe ich euch noch nicht erzählt, dass mich seit ein paar Monaten ein eingeklemmter Nerv nervt. Morgens, wenn ich aufstehe, weiß ich nicht wie ich mich aus dem Bett pellen muss. Schlafen kann ich nur in einer einzigen Position. Und zwar so, dass mein linkes Bein, das mit den Ameisen, entlastet wird. Das erlaubt mir zumindest einzuschlafen. Wenn ich durch irgendwas oder irgendwen (kann momentan nur meine Frau sein) geweckt werde, dann ist Essig mit weiterschlafen.

Ein ungünstiger Zeitpunkt. Vor so einem Projekt. Es galt ja nun jeden Tag, räumen, rücken, schleppen. Treppauf, treppab. Der normale Tagesablauf, morgens, mittags, abends mit den Hunden raus kam dann noch dazu. Wie Rumpelstilzchen durch den Wald laufen. Sich nichts anmerken lassen, obwohl es in der linken Arschbacke zwickte und die Ameisen im linken Bein fortlaufend Party feierten.

Es ist aber nicht so, dass ich dagegen nichts tun wollte, oder getan hätte. Ich ging zu meinem Hausarzt, einem sehr guter Freund, der mir sagte, dass er das nicht heilen könne. Er könnte mir Spritzen geben um den Schmerz zu betäuben. Davon habe ich tatsächlich vor meinem letzten und wichtigen Ligaspiel Gebrauch gemacht. André jagte mir so ein Ding in den Hintern und ich war tatsächlich bis pünktlich nach den Spielen schmerzfrei. Und dann waren sie wieder da. Ich bekam eine Verordnung für meine Physiotherapeutin Natalie. Zu ihr hatte ich wirklich sehr viel Vertrauen, Sie hat mir schon mehrere Mal in den letzten 6 Jahren den einen oder anderen Wirbel wieder eingerenkt. Aber dieses Mal wollte es ihr, aber auch einem ihrer Mitarbeiter (ein Baum von einem Kerl) nicht gelingen.

So etwas hatte ich vor über dreißig Jahren schon einmal. Als ich derzeit sichtlich schmerzverzerrt vor unserem Grenzamt auf der Straße saß, sprach mich ein Reisender auf mein Wohlbefinden an und bat mich nach Dienstschluss in seine Praxis (im Grenzort Kranenburg) zu kommen. Ich hatte damals schon etliche Spritzen erhalten, bekam Verordnungen für Stangerbäder (die mit dem Strom im Wasser) und Fangopackungen. Bei einem Chinesen ließ ich mir in sechs Sitzungen etliche Nadeln in alle erdenklichen Körperteile piksen. Nichts von dem hatte geholfen. Warum sollte ich nicht auch einmal den Herman (Küsters) dran lassen? Ich fuhr also nach dem Dienst zu ihm, zog mich aus. Er beobachtete und tastete meinen Körper und bat mich mich auf den Behandlungstisch zu legen. Dann verkeilte er sich in mich, verwickelte mich in ein Gespräch und Knacks …. keine drei Minuten später war der Schmerz, den ich eineinhalb Jahre ertragen hatte, weg.

Nach meinem Besuch bei Natalie, habe ich noch zwei weitere Versuche gestartet ohne dass sich an der Situation etwas geändert hätte. Zähne zusammenbeissen und weitermachen. Irgendwann wird es ein Ende geben. Irgendwie freute ich mich deswegen auf den 28.09.22, wenn ich mit Roland den LKW holen würde und er im Laufe des Tages beladen und startbereit auf unsere Abfahrt warten würde.

Zur verabredeten Zeit war Roland morgens bei mir und wir fuhren nach Krefeld um den LKW abzuholen.

Abschied nehmen

Einen Umtrunk halten. Zum Abschied! Macht nicht jeder, das wissen wir. Ist auch nicht normal. Wissen wir auch. Aber wir sind ja auch nicht normal. Ich persönlich lebte ja immer schon nach dem Motto: Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Irgendwann begann für mich die Tradition meine Geburtstage alle fünf Jahre etwas größer zu feiern. Mit 40 feierte ich groß im Hassumer Dorfhaus (das liegt bei Goch). Den 50'ten feierte ich in Erinnerung an die 50 Jahre (ich bin Baujahr 1957) und an meine Heimat dem Ruhrgebiet. Das war bis dahin der absolute Renner. Alleine schon wegen des Ambientes in einem alten Sacklager mit hunderten Attributen und Erinnerungsstücken an diese Zeit. Ein berauschendes Fest. Die Zwischengeburtstage mit der 5 am Ende waren auch nicht schlecht, aber irgendwie hatte ich bei den Runden Geburtstagen immer den Nagel auf den Kopf getroffen. Zum 60.sten Geburtstag mietete ich das Naturfreibad in Wachtendonk, umdort eine Strandpartie abzuhalten. Mit Palmen, einer Cocktailbar, einer Band, gegrilltem Spanferkel und als Sahnehäubchen einer Sambatänzerin und auch noch einer Sambatruppe, diesen Leuten so richtig einheizte. Die hatten alle soviel Freude an der Location und den mitgehenden Gästen, dass sie über das vereinbarte Zeitmaß einfach weiter spielten.

Diese Abschiedsfeier am 09.09.22 stand aber unter einem anderen Stern. Uns nahestehende Menschen waren geladen und wir hatten unsererseits nichts geplant. Wir vermuteten, dass es eher traurig zugehen würde. Da hatten wir uns aber kräftig in den Finger geschnitten. Der Einzige, der an diesem Abend heulte, war ich. Und der Grund war wunderschön. Unsere Gäste überhäuften uns mit guten Wünschen, mit herzergreifenden Ansprachen, mit einer beispiellosen Herzlichkeit, mit Witz und Humor und mit allem, was diesen Abend zu einem für uns unvergesslichen Ereignis werden ließ. Eine zweite Welle der Tränen überkam uns, als wir zuhause die Karten und die Eintragungen in unser Gästebuch lasen. Nicht erst da wurde uns klar, dass wir sie alle vermissen werden.

Aber wir sind ja nicht aus der Welt. Die modernen Kommunikationsmittel lassen es zu, dass wir uns sowohl telefonisch also auch bildtelefonisch virtuell begegnen können.