Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

Wenn man im Gebirge wohnt

Eine Stunde kann verdammt lang sein. Wenn man auf etwas wartet, dann dauert es gefühlt ewig lange. Das war damals mit dem Führerschein für's Auto so oder mit dem 18. Geburtstag. Wir warteten "nur" auf einen Bauern mit seinem Trecker und es sollte nur eine Stunde dauern. Es war eine amüsante Wartezeit, wir haben uns die Zeit kurzweilig gestaltet, mit Geschichten, mit Witzen.

Irgendwann, mittlerweile war es schon dämmerig, kam ein riesiger, grüner, ziemlich neuer Traktor rückwärts auf uns zugefahren. Der Bauer hatte es echt drauf. Gerade so, als würde er den Weg stündlich rückwärts fahren, kam er den Hügel runter. 5, 6 Meter vor dem LKW kam er zum Stillstand. Er stieg aus gefühlt 10 Metern Höhe aus seinem Traktor aus und begrüßte uns. Dann inspizierte er den LKW und sagte ok, versuchen wir es. Vom Trecker holte er eine schwere Kette, so eine, wie sie bei Zugbrücken früher verwendet wurden oder wie Hochseedampfer sie zum Ankern benötigten. Für so einen Truck brauchte man schon schweres Gerät. Und diese Kette würde vermutlich nicht reissen. Das war nämlich meine große Sorge gewesen, dass der Trecker kommen würde und zu klein wäre oder der Bauer eine Kette mitbringen würde, die bei diesem Gewicht und der Steigung und dem Matsch sofort reißen würde. Aber diese Kette, die würde halten. Und zu dem Traktor hatte ich auch absolutes Vertrauen. Die Hinterreifen hatten mindestens eine Höhe von 2,60 Meter. Vermutlich aber viel mehr. Und das Profil würde sich vermutlich bis auf den Granit eingraben. Und da gäbe es dann auf jeden Fall festen Halt und den Rädern.

Nun musste die Kette aber angebracht werden und alle begannen nun aufgeregt zu suchen, wo den nun der Abschlepphaken sitzen würde. Der aufmerksame Leser, der von Anfang an dabei ist, wird nun laut aufschreien und uns zurufen: Ihr Blödmänner, das ist doch ein Automatikfahrzeug, den kann man doch gar nicht abschleppen. Auf diesen Trichter waren wir aber auch schon gekommen. Wilde Panik. Was nun? Die Köpfe rauchten. Meine Frau telefonierte mit ihrem Bruder in Kolumbien, auch ein gelernter und erfahrener LKW Fahrer. Diesen LKW da herauszubekommen wäre nur rückwärts möglich. Dazu musste der LKW aber erst einmal gewendet werden. An dieser Stelle müsst ihr euch visualisieren, dass die Einfahrt zum Hangar so knappe 8 - 10 Meter breit ist. Nach rechts in Fahrtrichtung stand der LKW am Hang. Im Matsch. Der Feldweg ließ rechts und links vom LKW vielleicht noch einen Meter Spielraum. Ein Husarenstück nun bei diesem glitschigen Untergrund wieder rückwärts in die Einfahrt zu fahren, dann nach links wieder rauszufahren und sich dann rückwärts so gut wie möglich in Stellung
zu bringen um dem Traktor die Möglichkeit zu bieten das Fahrzeug an die Anhängerkupplung zu koppeln und ihn dann rückwärts heraus zu ziehen. Eine Herausforderung für den Bauern aber auch für Roland. Er musste nun den Motor anschmeissen und dann den Wagen im Leerlauf rückwärts navigieren.

Man merkte Roland die Anspannung an. Diesen Tag hatte er sich ganz anders vorgestellt. Um ehrlich zu sein … ich auch. Ich telefonierte wieder mit Marie-Annick. Ja, Marie-Annick ich bin es noch mal. Nein, wir sind noch nicht auf dem Weg. Es wird wohl eher kur vor 21:00 h werden. Ob sie denn schon essen dürften, wollte sie wissen. Ja, natürlich. Bitte kaufe für jeden eine Pizza und nehme sie mit nach hause. Wir essen sie dann bei dir! Und da war es dann, das nächste Problem. Ich sollte aufschreiben, wer denn welche Pizza haben möchte und hatte nun alle danach gefragt. Ich rief Marie-Annick zurück und gab ihr die Bestellung durch. Perfekt. Bis gleich … und euch einen Guten Appetit.

Das tat mir nun unendlich leid. Wir hatten alle zum Essen eingeladen und das endet nun in einem totalen Chaos. Ich hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da klingelte mein iPhone wieder. Die Pizzen hätten in Frankreich andere Namen, was denn auf den gewünschten Pizzen drauf sein sollte. Ich fragte wieder rum und notierte mir die einzelnen Wünsche. Dann rief ich zurück. Nun muss es rund sein, dachte ich …. Bis mein iPhone wieder klingelte. Es
war wieder Marie-Annick. (Nun habt ihr den Namen aber drauf, nicht wahr?). Sie berichtete, dass die Pizzeria mit dem heutigen Tag die Saison abschliessen würde. Und weil der Laden nun für 5 Monate dicht machte, hätten sie nicht mehr alle gewünschten Zutaten. Dann sollen sie eben sechs Pizzen machen, die eine Ähnlichkeit mit den gewünschten Sorten von Pizza hätten. Und bitte noch eine weitere Pizza extra, für den Fall, dass ….

Die Schlammschlacht mit dem LKW, die von RTL oder Pro7 auch als Challenge hätte verfilmt werden können, hatte begonnen. Wir verabschiedeten uns von den Verkäufern des Hauses Sandra und Bernard und fuhren nun mit unseren PKW'S in Richtung des Endes dieses Feldweges bei dem dann hoffentlich bald ein Trecker und ein rückwärts angehängter LKW auftauchen sollten.

Und tatsächlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit, sahen wir die Lichter, die zunehmend größer wurden. Wir standen mit unseren Autos am Straßenrand und warteten. Als erstes kam der Trecker, ohne LKW! Nee, nicht das noch? Wieder irgendein Zwischenfall? Er hielt mitten auf der Straße und strahlte uns mit seiner Festbeleuchtung an. Der Bauer kam auf uns zu, strahlte und meinte, dass alles klar sei. Ich zückte mein Portemonnaie und wollte ihm die 50 € geben, die wir ausgehandelt hatten. Er winkte ab und sagte, dass Roland ihn schon bezahlt hätte. Meine Frau machte dieser Umstand, dass der LKW nun wieder aus eigenen Stücken fahren konnte so glücklich, dass sie dem Bauern noch einmal 20 € in die Hand drückte. Das wollte er nun wirklich nicht, das wäre nicht verabredet gewesen. Keine Widerrede, sagte ich, wollte dann aber von ihm wissen, ob er uns den frische, noch nicht entrahmte Milch verkaufen würde. Maelle bräuchte sie zur Käsezubereitung. Wir erhielten seine Zusage.

Dann düsten wir los. Die Pizzen würden auf jeden Fall bereits kalt sein, denn der Weg über die N in Richtung Rennes und dann Redon ist zwar angenehmer zu fahren, dauert aber wegen der größeren Fahrtstrecke auch länger. Um 23:00 plus minus ein paar Minuten standen wir vor Marie-Annicks Haus. Sie hatte auf uns gewartet und den Tisch noch gedeckt. Nun wärmte sie jede Pizza einzeln noch einmal auf und servierte uns nicht nur das Essen, sondern auch noch Getränke.

Die Stimmung war ausgezeichnet. Wir haben über alle unsere Erlebnisse an diesem Tag herzlich gelacht. Die besten Szenen werden wir wohl demnächst bei Stefan sehen, denn er hat viele Situationen
mit seiner GoPro dokumentiert und uns bereits erzählt, dass wir vermutlich aus dem Lachen nicht heraus kämen. Zu den ganzen Erinnerungen gehören auch die Nächte in den Zelten. Aber das wird es auch aus der anderen Perspektive zu lesen geben.