Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

August 2022

Ballast abwerfen

Ein Umzug innerhalb Deutschlands ist eine andere Hausnummer als ein Umzug ins Ausland. Sich ummelden etwas anderes als sich ganz abmelden. Entscheidungen treffen, was wichtig und was unwichtig ist, was man braucht oder was weg kann. Wir mussten nun eine Trennung durchführen und einen Plan machen.

Alles, was groß und sperrig war sollte nun ausgesondert werden. Am besten in eBay Kleinanzeigen verkaufen. Ich inserierte, was das Zeug hielt. Und obwohl ich hochwertige Möbel zu einem Spottpreis anbot, gab es keine Reaktionen. Ein Kirschholz Schlafzimmerschrank. Eine Echt Leder Eckcouch aus hochwertigem Leder gefertigt. Ein Buchenholz Bett usw. Mit Mühe haben wir fast alles an den Mann bringen können. Aber wir haben auch eine Menge wegwerfen müssen, weil sich niemand dafür interessierte. In einer Zeit, in der viele Leute nicht viel besitzen … auch nicht die finanziellen Mittel (und das sind aktuell ja nicht nur die Flüchtlinge), hatte ich erwartet, dass alles ruck zuck aus dem Haus wäre. Eigentlich wollten wir das meiste gar nicht weggeben, es ging aber nicht anders, denn die Räume in unserem neuen Haus sind ganz anders geschnitten. Es zog sich.

Das war aber nicht unsere einzige Sorge. Es gab ja auch noch diesen schrecklichen Moloch an Versorgern, Versicherern und Dienstleistern wie z.B. die Telekom. Man hätte quasi alles von einen Tag auf den anderen kündigen müssen um alle Kündigungsfristen einzuhalten. Das konnten wir aber erst machen, nachdem wir unseren Kompromiss de Rente unterzeichnet hatten, denn erst zu diesem Zeitpunkt war es sicher und hätte kein finanzielles Risiko mehr für uns ergeben. Also schrieb ich in alle Kündigungen, dass ich von meinem Sonderkündigungsrecht wegen Umzug ins Ausland gebrauch machen wollte. Rein, kommst du in einen Vertrag heutzutage recht leicht und sogar telefonisch. Da wird das Gespräch mitgeschnitten und schwupp bist du irgendwo Kunde. Versuche aber mal irgendwo zu kündigen. In den seltensten Fällen hat ein Anbieter die Option zur Kündigung servicefreundlich als Link auf seiner Homepage untergebracht. Aber ich schwöre euch, viele Anbieter haben weder den Link noch eine zustellfähige postalische Adresse auf deren Homepage. Oder wenn du etwas findest, dann ist es so gut versteckt, dass du niemals darauf kommen würdest genau an dieser Stelle zu suchen.

Selbst wenn ich so etwas im Internet gefunden habe, dann habe ich solange ermittelt bis ich eine postalische Adresse gefunden hatte und habe zur Sicherheit meine Kündigung noch einmal schriftlich formuliert und dann per Post, teilweise per Einschreiben versendet. Aber selbst dann gibt es noch ganz hartnäckige, die dem schriftlich formulierten Wunsch der Bestätigung des Empfanges und der Kündigung nachgekommen sind. Ganz im Gegenteil, die tun, obwohl ich um eine Endabrechnung gebeten habe immer noch so als sei ich noch Kunden. Mein Stromanbieter fordert weiterhin hartnäckig seine Abschlagszahlungen. Der Gasanbieter stellt sich tot. Lediglich, und das fand ich absolut überraschend, die GEZ hat mir innerhalb weniger Tage geantwortet, von mir einen Nachweis der neuen ausländischen Adresse angefordert und mich danach sofort aus der Pflicht entlassen. Und das, obwohl ich für die sicher nicht der angenehmste Gebührenzahler war. Mit mir hatten sie nämlich richtig Arbeit. Ich habe nicht einmal im Quartal gezahlt. Ich habe den zu zahlenden Quartalsbetrag immer schön aufgeteilt. Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und Jobsicherung für die Mitarbeiter der Zentrale insbesondere deren Finanzabteilung. Ich schätze mein Name findet sich in etlichen der letzen 35 Jahresbilanzen dieser Truppe. Säumige Zahler? Nur einer! Perret!

Unser Wohnzimmer wandelte sich nun von Tag zu Tag zu einem Warendepot. Hier sollte am letzten Tag, dem 28.09.22 alles stehen und nur noch in den LKW getragen werden müssen. Mit jeder Kiste wurde es auch stets ungemütlicher. Was soll's, wir hatten ja nicht einmal mehr die Zeit uns abends vor den Fernseher zu setzen. Die meisten Tage waren mit dermaßen vielen Tätigkeiten erfüllt, dass wir abends nur noch müde waren. Und selbst in den letzten Raum, der auch noch bis zum Ende dort stehen würde, kam ich erst nachdem ich abends am Rechner noch Kündigungen geschrieben, Fragen von Mietern beantwortet oder was auch immer erledigt hatte.

Und wenn mich nun jemand nach unserem Sexualleben in der Zeit von Mitte Juni bis Ende September fragt, dem gebe ich einfach keine Antwort.

Mittlerweile kamen auch die Käufer unseres Hauses regelmäßiger. Nach dem, was ich alles so mitbekommen habe, würde Das Haus wohl eine völlige Veränderung erfahren. Eine Verjüngungskur um vierzig oder fünfzig Jahre. Unter Berücksichtigung aller erdenklichen Neuigkeiten, die es mittlerweile auf dem Markt gibt.

Der Mann meiner Ex-Frau, der sich als Fahrer für den Umzug angeboten hatte, war auch nicht untätig, denn er hatte schon in kurzer Zeit einen LKW gefunden und mit der Reservierung eine erste feste Hausnummer beibringen können. Etwas über 1.400 € von Mittwoch, 28.09.22 bis Dienstag 04.10.22. Dazu mussten wir nun noch die Kosten für den Treibstoff und die Péage (Maut auf der französischen Autobahn) rechnen. Unsere Hochrechnung belief sich auf 2.500 € für den 12 Tonner LKW.

Es begann auch die Zeit der Verabschiedungen, insbesondere von lieben Menschen, die wir mit großer Wahrscheinlichkeit in den letzten, recht hektischen Wochen nicht mehr sehen würden. Wir hatten uns aber noch ein besonderes Ereignis ausgedacht. Ein Abschiedsumtrunk der am 09.09.22 in der Zeit von 19:19 h bis 23:23 h in einem auserwählten Lokal in Wachtendonk stattfinden sollte. Ich entwarf eine Einladungskarte und wir begannen Gäste einzuladen.

Die Anspannung stieg.

Gedanken

Bei jeder nur erdenklichen Möglichkeit kamen die unterschiedlichsten Gedanken auf. Zum 01.08.22 wurde ich pensioniert. Davor habe ich noch einen Ausstand gegeben. So, wie es alle tun. Am 10.08.22 wurde an meiner alten Dienststelle in Krefeld dann gegrillt. Neben der Verabschiedung stand für viele unsere Entscheidung nach Frankreich zu ziehen zentral. Oft hörte ich Worte der Bewunderung, manchmal auch ein wenig Neid. Kollegen meines Alters haben eine Entwicklung unserer Verwaltung miterlebt, die viele, sehr viele Veränderungen mit sich brachte. Da hatte eine dienstliche Metamorphose stattgefunden, die nicht alle Altgedienten mehr gut fanden. Junge Leute, die erst kurz für die Verwaltung arbeiteten, konnten sich leicht einfinden. Sie haben es ja nie anders kennengelernt. Kurzum, der Abschied von meinem Berufsleben fiel mir nicht schwer. Der Abschied von vielen meiner Kollegen, sowie auch ehemaligen "Kunden" (als ich noch in der Abfertigung saß) fühlte sich eher wie ein Kloß im Hals an.

Meiner Frau ging es ähnlich. Die ganze Zeit, die sie in Deutschland verbracht und gearbeitet hat, war sie in Heringen für die Vierling Rhein Maas tätig. In den letzten Jahren in einer exponierten Position auf der Bühne der Blumenversteigerung. Ihre aufgeschlossene und offene Art und ihr unter spanischem Spracheinfluss gesprochenes Deutsch, hatte ihr im Laufe der Zeit viele Freundschaften eingebracht. Der (tatsächliche mehrfache) Abschied fiel dann immer auch tränenreich aus.

Es gab aber auch noch ein Privatleben, dass ich über Jahrzehnte mit ehrenamtlichen Aufgaben verbrachte. Ich habe so ziemlich alle Funktionen in einem Vereinsleben einmal inne gehabt. Lediglich als Vorsitzender in Vereinen oder Präsident in zwei Landesverbänden bin ich so etwas wie ein Rekordhalter. Es waren zwei Verbände, die mich nahezu 40 Jahre beschäftigten. Zum einen die FSG NRW, der Landesverband der Freikörperkultur in NRW. Und zum anderen und das auch viel intensiver der BPV NRW, der Boule und Pétanque Verband NRW. Ich blicke mit Stolz auf meine aktive Tätigkeit zurück in der ich richtungsweisende Maßnahmen beschloß, die heute, nach vielen Jahren immer noch aktiv sind. Scheinbar waren meine Ideen nicht so schlecht gewesen.

Der letzte Verein, dem ich angehörte und dem ich auch wieder eine Weile vorstand, waren die Flachlandbouler in Kempen. Leider komme ich nun nicht mehr in den Genuss der Früchte, die wir als Vorstand in den letzten vier Jahren gesät hatten. Den diesjährigen Aufstieg in der Liga konnte ich zum letzten Spieltag nur aus der Ferne vom Campingplatz miterleben. Und die wunderschöne neue Bouleanlage wird wohl frühestens im nächsten Jahr fertig werden.

Wer mich kennt, der weiß, dass ich so eine Art Hans Dampf in allen Gassen war. Eines Tages lernten Maelle und ich eine nette Frau kennen, die wie wir einen Coronatest machen musste. Schnell stellten wir fest, dass wir die Abneigung dazu gemein hatten und auch sonst auf einer Wellenlänge schwammen. Wir tauschten die Telefonnummern aus und wenige Tage später gab es dann plötzlich eine "Signal" Gruppe. Und wiederum später setzte die nette Dame eine Anfrage in die Gruppe, in der sie zum Zwecke eines Niederländischkurses einen Niederländisch sprachigen Lehrer mit Lehrerfahrung suchte. Mit meinen über dreißig Jahren Erfahrung mit einer niederländischen Ehefrau, ihrer Familie und niederländischen Amtskollegen, meiner Lehrtätigkeit in der Sprache Französisch (bei der Zollverwaltung) brachte ich grundsätzlich alle Voraussetzungen mit, mich bei dieser Gruppe für diese Aufgabe anzubieten. Und ich bekam den Auftrag. Es hat wahnsinnigen Spass gemacht diesem illustren Haufen die niederländische Kultur, das niederländische Liedgut und die Sprache im Allgemeinen zu vermitteln. Es bildeten sich innige, herzliche Freundschaften, die sogar auch meiner Frau beim Abschied ans Herz gingen.

So könnte ich nun noch viele weitere lieb gewonnene Menschen aus dem Familien- und Freundeskreis nennen mit denen es sich genau so verhält.

Aber unsere Gedanken wurden nun zunehmend von dem anstehenden Ereignis dominiert. Wann würden wir unsere Zelte abbrechen? Wann würden wir den Notarvertrag unterschreiben können? Wird der 04.10.22 realisierbar sein? Letztendlich hing das ja von dem zu überweisenden Kaufpreis ab. Eine Frage jedoch drängte sich mehr und mehr in den Vordergrund: Wie bekommen wir unseren kompletten Hausstand nach Frankreich. Ca. 70 qm Kellerraum, 70 qm Erdgeschoss, 70 qm Dachgeschoss und 70 qm Dachboden waren voll … absolut voll. 280 qm Möbel, Bekleidung, Wein, Apple Museum, Waschmaschinen, Trockner, Kühltruhen etc. mussten irgendwie transportiert werden.

Meine Ex-Frau schickte mir den Link eines Vergleichsportales für Umzüge. Alles seriöse Unternehmen und die Preisangabe ab 3.600 € hörte sich verlockend an. Also habe ich mich aufgemacht und alle erforderlichen Daten bei diesem Portal eingegeben. Zum Ende dieses Prozesses wurde ich darüber informiert, dass sich drei Unternehmen bei mir melden würden. Und das ging fix. Sehr fix sogar. Das erste Unternehmen, dass sich wiederum mehrerer Subunternehmen bediente reagierte sogar schon knapp eine Stunde später. Eine offensichtlich junge Frau beauftragte mich, Fotos von allen Räumen und großen Gegenständen zu machen und ihr zu übermitteln. Keine Stunde später waren die Aufnahmen im Kasten und dann auch direkt auf dem Weg nach Bayern. Dort saß nämlich die nette Dame.

Am nächsten Tag rief sie mich an um mir eine gute und eine schlechte Nachricht mitzuteilen. Die Gute war, dass sie ein Unternehmen gefunden hätte, die Schlechte … dass dieses Unternehmen knapp 11.000 € für den Umzug veranschlagte. Ich habe tief Luft geholt und dann dankend abgelehnt. Die Dame war verständnisvoll und sagte, dass sie das auch vom Preis her sehr grenzwertig fand.

Nun glaubte ich, dass das nächste Angebot, besser ausfallen würde. Meine Hoffnung erfüllte sich nicht. Das erste Angebot sollte das beste bleiben. Aus diesen Erfahrungen machte ich kein Geheimnis und erzählte es meiner Ex-Frau und ihrem Mann, der plötzlich und unerwartet den Vorschlag unterbreitete, dass wir uns einen LKW leihen und die Sache selbst in die Hand nehmen. Er hätte einen LKW Führerschein und dürfe auch größere LKW fahren.

Mittlerweile wußten wir, dass folglich der Berechnungen der Umzugsunternehmen ein 7,5 t LKW nicht ausreichen würde. Ein Unternehmen hatte sogar Zugmaschine und Anhänger berechnet. Wir machten uns auf die Suche nach einem LKW, den wir mieten konnten.

Würden wir so Geld einsparen?