Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

Öl Sterne

Obwohl die Klimadaten in der Bretagne viel sympathischer aussehen als in anderen Regionen dieser Welt, gibt es natürlich auch hier Ausnahmen von der Regel. So ist es zum Beispiel im Sommer nicht so heiß, wie in Spanien, Italien oder auch im Süden Frankreichs. Und weil Ausnahmen die Regel bestätigen, war der letzte Sommer in der Bretagne auch recht warm. Teilweise erreichten die Temperaturen selbst hier die 36 Grad.

Im Winter ist
es in der Regel hier nicht sonderlich kalt, sodass sich die Durchschnittstemperatur für einen normalen Winter um 10 Grad bewegt. Man muss sich aber immer auf alle Eventualitäten vorbereiten. Außergewöhnlicher Hitze kommt man mit einer Klimaanlage bei. Deren Anschaffung kann aber noch ein wenig warten, denn für ein paar Tage lohnt sich das noch nicht! Vor Kälte schützt man sich mit einer Heizung und die haben wir! Selbst 10 Grad mittlerer Wintertemperatur sind für einen kuscheligen Winterabend etwas kühl.

Nach Information unseres Verkäufers Bernard sollten noch ca. 200 l in dem 2000 l fassenden Öltank sein. Durch Klopfen versuchte ich nun festzustellen, wo exakt sich der Pegelstand nun befand. Ein Ölstandsmeter an der oberen Seite des Dankes gab keinen Aufschluss. Der zeigte angeblich nicht die Menge in Liter sondern nur annähernd die Menge in Prozent an. Mein Klopfen hat vielleicht den einen oder anderen Poltergeist erschreckt, erkennen konnte ich daran aber absolut nichts. Ich vermutete, dass dieser Tank doppelwandig war. Anders konnte ich mir das aus sicherheitstechnischen Gründen überhaupt nicht vorstellen. In Deutschland hatte ich damals einen abgesonderten Kellerraum mit einer Stahltüre und die Tanks standen in Betonwannen. Safety first. Hier stand dieser Tank einfach nur so rum!

Da ich also nichts mit Gewissheit feststellen konnte, setzte ich mich an den Rechner und suchte ein Vergleichsportal für die Ölpreise in Frankreich. Fand ich auch. Mein Gesicht verzog sich vor Schmerzen, als ich die Preise angezeigt bekam. 1,62 € pro Liter. Wahnsinn, blanker Wahnsinn. Bestellen musste ich aber dennoch. Wir wollten zwar eine Wärmepumpe installieren lassen, aber noch konnte ich nicht beziffern, wann das realisiert werden würde. Also gab ich die Menge von 1.000 Litern ein und versendete meine Bedarfsanfrage.

Es dauerte keine 10 Minuten, da kam auch schon das entsprechende Angebot rein. Armorine kündigte an, uns so schnell wie möglich - innerhalb der nächsten 5 Tage - beliefern zu wollen.

Und heute, drei Tage später fuhr er dann vor, Jeremy mit seinem Tanklaster von Armorine. Jeremy war sicher unter 30 Jahre alt, schien aber zumindest mit seinem LKW sehr vertraut zu sein denn er fuhr zielstrebig rückwärts bis zu meinem Auto, das vor der Garage (unserem Keller) stand. Er begrüßte mich freundlich und ließ sich von mir den zu befallenden Öltank zeigen. Ich versuchte ihm zu erklären, dass die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland die strenger seien als hier und ich überhaupt keinen Einfüllstutzen rund um unser Haus finden würde. Er lächelte und entgegnete mir, dass das in Frankreich eigentlich genau so sei. Allerdings hätten manche älteren Häuser das noch nicht.

Na ja, so alt war unser Haus ja nun nicht.

Er inspizierte den Tank, griff gezielt nach diesem seltsamen Meter an der Oberfläche des Tanks und drehte ihn ab. Da sich direkt darüber ein Regalbrett mit dem ganzen Gartenwerkzeug befand, konnte man nicht in diese Öffnung hineinschauen. Jeremy lief zum LKW zurück und begann einenTeil seiner insgesamt 60 Meter Tankschlauch abzurollen. Das Ende legte er vor den Tank. Das kam mir nun aber sehr seltsam vor. Die Öffnung von dem Meter, die einzige die sich scheinbar zum Befallen des Dankes daran befand, hatte nicht einmal 30 % des Durchmessers von dem Schlauch. Aber Jeremy war schon wieder auf dem Weg zum LKW, griff in eine Lade und holte dort einen Stutzen heraus, der einem Schwanenhals glich. Mit dem Schlauch verbunden konnte die Betankung nun losgehen.

Während des Betankens unterhielten wir uns ein wenig über die horrenden Preise und die Menschen, die sich das möglicherweise bald nicht mehr leisten könnten. Plötzlich schwappte es oben an der Öffnung über und Jeremy musste blitzschnell reagieren um den Vorgang abzubrechen. Glücklicherweise war er wirklich sehr reaktionsschnell sodass sich die Menge des übergelaufenen Öls in Grenzen hielt. Er schnappte sich Lappen und so eine überdimensionierte Küchenrolle für Öltanker und reinigte schnell alles. Dann packte er alles zusammen, rollte mechanisch den Schlauch wieder auf und verschloss den Tank wieder mit dem Füllstandsmesser. Ich war unterdessen ein wenig in Panik geraten, denn nachdem Jeremy ja alles sauber gemacht hatte, tropfte es erheblich an der Seite und es bildete sich eine Öllache. Jeremy schaute ebenfalls ein wenig erregt, stellte dann aber fest, dass es an der Seite ein Schauglas gab, das den Füllstand anzeigte. Das war nun für uns beide neu. Nun konnten wir aber erkennen, dass der Tank Rappel voll war. So voll, dass das Öl durch das Schauglas heraus überquoll und nicht zum Stillstand kam. Nun wäre so eine Ölwanne, wie ich sie früher hatte nicht schlecht.

Jeremy gab den Rat, das Schauglas oben zu verschliessen, denn es sei dort offen. Ich fand das eine gute Idee und beauftragte meine Frau aus einem Korken einen Verschluss zu formen. Nicht ganz so leicht, denn das Schauglas hatte einen nur wenige Millimeter großen Durchmesser. Als der Korken fertig war und dabei reden wir über wenige Minuten Handarbeit, verschlossen wir das Schauglas mit dem durchschlagenden Erfolg, dass sich nun ein Druck aufbaute und sich die Menge der überlaufenden Öles rapide erhöhte. Wir entfernten den Korken wieder und stellten stattdessen eine abgeschnittene Plastikflasche als Auffangbecken darunter. Jeremy hätte sich auch gerne schon entfernt gehabt, hätte er nicht noch bei mir die Bezahlung entgegen nehmen müssen.

Für die letztlich doch nur 824 Liter, die hineingingen müsste ich nun etwas über 1.300 € bezahlen. Ob ich das mit einem Scheck begleichen wolle. Jeremy staunte nicht schlecht, als ich ihm sagte, dass ich gar keine Schecks habe, weil es die in Deutschland schon seit ewigen Zeiten für Privatpersonen überhaupt nicht mehr gibt. Dann müsse er telefonieren, sagte er, setzte sich ins Führerhaus und telefonierte mit der Buchhaltung.

Stolz auf die modernen Errungenschaften der digitalen Zahlung hinweisend, bot ich ihm an die Rechnung jetzt und hier, an Ort und Stelle durch Direktüberweisung von meinem Konto bei der ING, zu begleichen. Die Buchhaltung und er berieten sich, sein Gesicht veränderte sich. Mal Stirn runzelnd, mal fröhlich, mal kritisch und am Ende dann ganz freundlich. Das Ergebnis des Telefonats lautete. Die Firma würde mir eine Rechnung (facture) schicken. Ich könne dann überweisen.

Für jemanden, der erstmalig bei denen bestellt und von ihnen beliefert wird, ein großer Vertrauensvorschuss. Mir war es recht.

Wir hatten Öl und das beruhigende Bewusstsein, dass die Familie nun im Dezember kommen könne und wir ihnen ein warmes zuhause bieten können.

Und nun springe ich mal ein paar Stunden voraus. Es ist Abend. Zu einer gewissen Zeit melden sich Bill und Layla weil sie gerne ihr Geschäft machen möchten. Unsere Hunde sind Gewohnheitstiere, so wie ich! Die Zeichen erkennend machen wir uns dann auf uns anzukleiden um gemeinsam mit unseren Rowdys ein paar Runden auf der Hundewiese zu drehen. Selbst nun, Ende Oktober war es immer noch angenehm warm abends. Und der Himmel war klar, sternenklar.

Und wenn ich das nun so sage, dann können sich die meisten von euch gar keine Vorstellung davon machen, wie klar ein Himmel sein kann und welche Mengen man da an Sternen zu sehen bekommt. Das letzte Mal, dass ich das so in dieser Form erlebt habe, war 1972 am Strand von Soulac sur mer (nordwestlich von Bordeaux). Der Umstand, dass es hier bei uns keine Straßenlaternen gibt und die Lichter an unserem Haus um diese Uhrzeit auch alle erloschen sind, verstärkt diese überwältigende Schönheit. In diesem Moment wünschte ich mir innig, dass meine Enkelkinder diesen natürlichen Eindruck auch bald erleben können. Eine Milchstraße in ihrer ganzen Pracht.

Ein Moment, in dem ich mir sagte…. Junge, du hast alles richtig gemacht.