Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

Im Notariat

Bevor ich euch für ein paar Tage im Ungewissen über den weiteren Verlauf unseres Lebens lasse, weil wir einen Kurzurlaub im Ressort Arcen (in der Nähe von Wachtendonk), möchte ich zumindest noch den abschliessenden Kauf beschreiben.

Seit dem 28.09.2022 waren wir ja nun mehr oder weniger obdachlos und fristeten unser Dasein auf dem Campingplatz. Unruhig waren wir deshalb aber nicht. Um ganz ehrlich zu sein habe zumindest ich nun schon mehrere male Häuser gekauft und auch wieder verkauft. Da kehrt Routine ein. Und bei den Terminen beim Notar ist dann eigentlich auch immer der Notar oder die Notarin das Highlight. Was habe ich da schon alles erleben dürfen. Einer mit einer roten Nase, denn ich aus dem Lokal meiner Eltern kannte, in dem ich ab meinem 14. Lebensjahr gekellnert habe. Der war ein guter, ein sehr guter Kunde. Ein anderer, zum Kauf meines Hauses in Wachtendonk, war Furz trocken und absolut farb- und humorlos. Der Kauf meines ersten Hauses, damals mit Bianca, war schon deshalb sehr einzigartig, weil auch da alles schnell ging und unsere Sprachkenntnisse der französischen Sprache sehr limitiert waren. Das war auch der Grund, weshalb Martine damals als Bindeglied, als Vertraute, als Dolmetscherin an dem Termin teilnahm. Allerdings standen Martine's Deutschkenntnisse auf dem Niveau meiner Französischkenntnisse. Und dazu gehörte für keinen von uns die Rechtssprache. Also vereinbarten wir, dass Martine noch einmal aufmerksam zuhören würde und im Falle der Annahme, dass alles ok wäre, sie zustimmend aber wortlos mit dem Kopf nicken sollte. Sie nickte durchgängig, also hatte ich keine Fragen. Dann mussten wir alle das Schriftstück unterschreiben und die Sache war rund.

Dieser Termin würde nun ganz anders sein. Mittlerweile reichen meine Sprachkenntnisse so weit, dass ich zum Beispiel aktiv an Konversationen (jüngst auch über die aktuelle Politik) teilnehmen kann und mir immer häufiger das Kompliment gemacht wird, dass ich gut Französisch spräche. Ich verstehe das aber immer noch als eine höfliche Freundlichkeit meiner Gesprächspartner, fühle mich dennoch jedes Mal bauchgepinselt.

Unsere Verabredung stand für 14:00 h. Den Franzosen ist die Mittagspause heilig. Dann sind alle herkömmlichen Geschäfte (nicht die Supermärkte) bis 14:00 h geschlossen und die Restaurants nicht selten bis auf den letzten Platz belegt. In unserem (mittlerweile) Stammrestaurant, der Auberge Basque, werden die Gerichte trotz der angestiegenen Rohstoffe immer noch als Menu (also Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise) für unter 15.00 € angeboten.

Da wir pünktlich sein wollten (typisch Deutsch oder typisch Beamter) erreichten wir den Notar, dessen Kanzlei im Industriegebiet von Callac ist, als erste. Von außen macht das Gebäude den Eindruck einer Lagerhalle. Man schaut automatisch wo denn da die Autos in die Werkstatt reinfahren würden. Auch von innen sind die Büroräume nicht feudal. Das Ensemble erinnert mich eher an Farben, Flure und Möbel aus meiner Grundschule. Kein Wartezimmer mit Ledersesseln, keine Mitarbeiterin, die einen in Empfang nahm und irgendwo hingeleitete. Lediglich hinter einem Glasverschlag, ein riesiges Fenster von sicher 4 Metern Breite und 2 Metern höhe mit so einem altmodischen Sprachlöchlein (da bin ich dann immer geneigt mich mit meinem Körper vorzubeugen um mit meinem Mund ganz nah an diese Öffnung zu gelangen) über der restlich Holzwand, die sich unter dem Fenster befand.

Niemand fragte uns etwas. Wir standen da rum als sich die Tür öffnete und Sandra und Bernard eintraten. Unsere beiden Engländer sprechen nicht viel und nicht sonderlich gut Französisch. Bernard auf jeden Fall mehr und besser als Sandra. Also führten wir unseren Smalltalk in English was auch für Maelle vorteilhaft war.

Dann tauchte ein in Jeans und Jacket gekleideter James Dean auf, der vom Aussehen her tatsächlich in jeden Film der 80'er Jahre gepasst hätte. Ich will damit sagen, dass er echt gut aussah. Ein wenig verwegen, die Haare fast schulterlang und wellig. Das war er dann … unser Notar. Scheinbar hatte er auch ein köstliches Mittagsmahl gehabt, denn seine Stimmung war ausgezeichnet. Er führte uns in ein Büro in dem anschliessenden Gang des rechten Flügels dieses Gebäudes. Auch hier alles Möbel, die sich sicher an ihre besten Jahre schon nicht mehr erinnern konnten. Er setze sich ganz leger hinter seinen Grundschullehrer Schreibtisch, während wir wie die aufgereihten Austern an einem Felsen ihm gegenüber Platz nahmen. Ganz rechts außen saß die ruhige Sandra. Zu ihrer linken Bernard. Dann kam Maelle, meine Wenigkeit und …. Anne (Änn, ihr erinnert euch noch? Die Maklerin).

Alles, was nun folgte erinnerte mehr an "Standup Comedy". Unser Notar stellte erst einmal fest, dass er mit mindestens vier Nationen (F, GB, D, und Ex-Col) und sehr unterschiedlichen Sprachen eine sehr illustre Truppe vor sich sitzen hatte. Voraussetzend, dass alle ihn verstehen, begann er das Verkaufsgespräch in Französisch. Als er merkte, dass er zumindest bei den Verkäufern in fragende Gesichter schaute, wechselte er ins Englische. Und ich brachte ihn dann völlig aus der Rolle, weil ich bei allen Kommentaren und Fragen hartnäckig Französisch antwortete. Da machte er dann für unsere englischen Freunde auch noch den Simultanübersetzer. Habt ihr schon einmal Franzosen erlebt, die Englisch sprechen. In der Freixenet Werbung hört sich die junge Französin, die Deutsch spricht sehr erotisch und angenehm an. Ähnlich war das bei unserem James Dean. Ich war echt geneigt die Augen zu schliessen und den Nachmittag zu geniessen. Aber ich musste ja immer antworten.

Natürlich habe ich auch zwischendurch gefragt. Warum ich zum Beispiel, statt der in der Anzeige angegebenen 23.000 qm nur knapp 19.000 qm kaufen würde. Monsieur Notar zuckte die Achseln und sagte uns dann, dass das im Kataster so eingetragen stünde. Änn ihrerseits konterte locker, dass das einfach nur ein Versehen sei. Ja, was sind schon 4.000 qm? Liebe Änn, da können vermutlich vier oder fünf Schafe von leben!!! Wir haben tatsächlich viel gelacht. Heute weiß ich, dass das Lachen unserer Engländer eigentlich das aufgesetzte "japanische" Lachen war. Nur, dass sie sich dabei nicht ständig mit dem Kopf nickend vornüber beugten. Uns sollte das Lachen auf jeden Fall noch vergehen. Das ist aber Gegenstand der folgenden Berichte.

Nach knapp einer Stunde, waren wir durch und James Dean schloss sichtlich amüsiert unsere Veranstaltung mit den Unterschriften aller Beteiligten. Dann händigte er uns allen noch eine Kauf- bzw. Verkaufsbescheinigung in die Hand und schickte uns damit zu einem Versicherungsmakler um das Haus durch uns nahtlos übergehend versichern zu lassen.

Gefühlsduselig betrat ich mit Bernard seine ihm vertraute Versicherungsagentur. Ich glaube, dass ist tatsächlich auch die einzige in Callac. Meine Erwartung war … rein, Vertag wie gehabt übernehmen, unterschreiben und raus. Die Realität war ….., dass sich die Gebäudeversicherungen prinzipiell und wesentlich verändert haben und das Frage und Antwort Theater mehr als eine Stunde gedauert hat. Lydie, die Versicherungssekräterin war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch gebürtige Engländerin. Davon gibt es in Callac nämlich sehr viele. Und die gingen vermutlich alle zu dieser Versicherung. Das musste für mich nun nicht schlecht sein, denn innerhalb weniger Tage hatte ich schon die Vermutung gewonnen, dass Engländer sehr sparsam sind. Aber auch dazu später noch mehr.

Zuhause, also ab jetzt unserem Zuhause, angekommen nahmen wir eine kurze Übergabe vor. Wir bekamen ein paar Erläuterungen zum "fosse septic" (wir sind nicht an die Kanalisation angeschlossen) sowie auch der Ölheizungsanlage. Irgendwie fühlt man sich ja überfallen und spricht natürlich nicht über alles. Dazu wäre dann aber am 15.10.22 anlässlich der Hausübergabe noch Zeit.

So machen wir das. Also dann, wir sehen uns am 15.!