Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

Massengrab

Die Sache mit den Fliegen ließ meiner Frau keine Ruhe. Noch am Tag der Hausübergabe surfte sie durch das Internet und fand eine Adresse einer Firma, die Insekten bekämpft. Die rief ich am 17.10.22 an. Service Antiparasitaire de Bretagne oder kurz S.A.B.. Ich schilderte unseren Wunsch und unsere Vermutung, dass wir scheinbar viele Fliegen auf unserem Dachboden hätten. Die freundliche Stimme am anderen Ende gab mir zu verstehen, dass sie so schnell als möglich einen ihrer Techniker informieren würde, der sich dann bei mir melden würde. Zu dieser Zeit operierte ich immer noch mit meiner deutschen Mobilfunknummer, da ich ja sonst nicht zu erreichen gewesen wäre. Und das funktionierte tatsächlich.

Rund um 15:00 h wurde ich angerufen und ich gestehe nun ein, dass ich die ersten Sekunden, vielleicht sogar Minuten absolut nichts begriff. Ich hatte die S.A.B. zwar angerufen und um einen Termin gebeten, hatte aber den Namen völlig verdrängt und stand nun während des Telefonates völlig auf dem Schlauch. Dann griff ich zu einem altbewährten Mittel. Ich erklärte dem Anrufer in meinem deutlichsten Französisch, dass ich Deutscher sei und kein Wort verstehen würde, wenn die Leitung so schlecht ist und die Anrufer dann auch noch schnell sprechen. Dazu muss man wissen, dass es hier in der Gegend mindestens so viele Funklöcher gibt, wie Hügel oder Berge. Das ist hier ja schliesslich wie das kleine Sauerland. Das verstand er sofort und wiederholte für mich dann alles noch einmal ganz verständlich. Er sei von S.A.B. und sollte mich anrufen. Er wäre in jedem Fall vor 16:00 h noch bei uns und würde sich die Situation anschauen. In jedem Fall …. und vor 16:00 h sind hier in Frankreich nur Richtwerte. Aber meistens kommen sie dann wenigstens.

Um 16:10 h war er da. Ich bat ihn rein. Wir setzten uns an den Tisch. Ich bot ihm Kaffee an. Das bricht immer das Eis, wenn man die Leute nicht sofort an die Arbeit schickt. Er hieße Roger und wäre der Techniker, der für die Parasitenbekämpfung zuständig wäre. Ich erzählte, das wir "nach den Aussagen der Verkäufer" vermuten, dass es auf dem Dachboden mehr Fliegen gäbe als uns möglicherweise lieb sein könnte. Roger machte einen fest entschlossenen und zuversichtlich Eindruck das Problem (bisher nur eine Vermutung) anzugehen und zu lösen. Er ließ sich von mit in die obere Etage leiten und schaute zum Einstieg zum Dachboden. Dann schaute er mich an und ich ihn, wir gemeinsam dann den kleinen Holzrahmen bei dessen Ausmaßen jeder von uns beiden noch gut zwei Wochen auf Diät gehen müsste. Dann holte er sich eine Leiter. So ein Ding, das ganz klein ist und durch die unzähligen Module bis auf mehrere Meter ausgefahren werden kann. Er zog sich einen weißen Schutzanzug an was die Sache nun total spannend machte. Vermutete er da oben vielleicht Bienen oder Wespen? Er verschwand mit einer leistungsstarken Taschenlampe in dem Loch. Ging aber gar nicht bis ganz oben, sondern kehrte zurück, schüttelte mit dem Kopf und meinte, so etwas hätte er in seiner Laufbahn noch nie erlebt. Alles sei voller Fliegen. Ich fragte ihn, ob er auch den dazu passenden Kadaver gefunden hätte? Männlich? Oder Weiblich? Möglicherweise mit Britischem Passport? Nein, sagte er ganz ernst, lediglich Millionen von Fliegen.

Einerseits zeigte er sich nun schockiert, anderseits nun aber auch angespornt der Sache Herr zu werden. Ich komme gleich wieder, sagte er und verschwand zu seinem Auto, das sich lediglich durch die Außenfarbe des Fahrzeuges der Ghostbuster unterschied. Als er dann zurück kam, trug er einige Hilfsmittel ins Haus, die tatsächlich an die Utensilien eines Imkers erinnerten. Wir sollten den Staubsauger bereit halten und alle Zimmertüren schließen sagte er und verschwand durch das Loch. Wir waren stark beeindruckt und beängstigt. Das waren ja nun einmal deutliche Ansagen. Und kaum hatten wir das zu Ende gedacht, flogen die ersten Fliegen fluchtartig aus der Dachluke, taumelten jedoch auf dem Weg bereits und verstarben noch bevor sie zum Landeanflug hätten ansetzen können. Und es kamen immer mehr. Plötzlich versagte die Spritze von Roger seinen Dienst. Der Strom war weggefallen. Ich in den Keller an unseren Linky. Das ist so etwas wie eine Fernbedienung des Anbieters für den Stromverbrauch. Damit können Sie alles ablesen und auch die tarifliche vereinbarte Leistung überprüfen. Als ich auf den Resetknopf drückte, fiel mir der Begriff Überschreiten der Leistung zwar auf, aber ich maß ihm keine Bedeutung bei.

Roger konnte weiter arbeiten. Das war nun einmal wichtig. Mit Fortschritt seiner Arbeit versuchten weitere drei Milliarden Fliegen zu flüchten und stürzten dabei dem sicheren Tod entgegen. Der Boden bedeckte sich. Der ganze Flur war schwarz. Zentimeter hoch.

Irgendwann kam Roger dann wieder hervor und meinte: Das war's. Nun ist es vorbei. Er wunderte sich wohl, dass unsere Vorbesitzer scheinbar die gesamte Zeit ihrer Anwesenheit in diesem Haus nichts gegen die Fliegen unternommen hätten. Auch wenn er glaube, dass da nun nicht mehr viele Überlebende sein würden, käme er zu einer zweiten Behandlung in einer Woche noch einmal wieder. Es würde den gleichen Preis kosten. Und dabei reden wird über 180 € für die aufgewendete Zeit, die Anreise und den Arbeitslohn. Für zwei Besuche und zwei Behandlungen nicht schlecht. Noch einen Kaffee Roger? Wir unterhielten uns noch ein Weilchen und ich liess mich dabei über sein Handwerk und seine Erfahrungen aufklären.

Als wir dann wieder alleine waren, machten wir uns an die Reinigung unseres Flures, der von oben bis unten zentimeterdick mit toten Fliegen bedeckt war. Und damit begann das nächste Problem, von dem ich morgen berichten werde.