Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

Einwohnermeldeamt

Donnerstag. Die Kaffeemaschine lief, das Licht ging auch an. Ich benutzte keine weiteren Geräte. Aus Vorsicht. Ich wollte erst einen Elektriker konsultieren. Bernard hatte mir in englischer Sprache, derer ich mächtig bin, dass wir den Strom von EDF (dem führenden Energieanbieter in Frankreich gesprochen. Ö De Eff) beziehen würden und dass der Eigentümerwechsel automatisch registriert werden würde. Ganz schön fortschrittlich. Passt zu dem Ding im Keller, das sich Linky nennt und alle Informationen über das eigene Stromnetz an EDF sendet. Der Verbraucher wird immer gläserner.

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Rathaus unserer Gemeinde Plusquellec. Dem Ort mit 593 Einwohnern (lt. Wikipedia).

https://de.wikipedia.org/wiki/Plusquellec

Wir wollten uns hier nun auch ordnungsgemäß anmelden. Wir kennen das ja aus Deutschland. Geht man irgendwo weg … schön abmelden. Kommt man irgendwo an … schön anmelden. Demzufolge stiegen wir in unseren Volvo und fuhren zum ersten Mal in unser Dorf. Der Weg zum Rathaus und damit zum Kern des Dorfes beträgt ca. 7,5 km. Aber nur, weil es keine direkte Verbindung gibt, denn dann wäre es viel kürzer. Wir wohnen quasi am äußersten Rand des Dorfes. In unserer Umgebung gibt es nur noch zwei bewohnte Häuser, das von Louisa und Walter (der irische Journalist und die amerikanische Künstlerin) und daneben das von Claudine und Jean Francois (der ehemaligen Pétanque Spielerin und dem Automechaniker). Trotz der 7,5 km ist man relativ schnell da. Als erstes sieht man diese wunderschöne alte Kirche aus dem 14. Jahrhundert. Das Rathaus ist nicht weit davon entfernt und verbirgt sich im Schatten der Kirche. Das Rathaus ist ein kleines Gebäude, und besteht exakt aus einem Büroraum. Direkt nebenan ist der Gemeindesaal. Dahinter die Dorfschule und der Kindergarten.

Wir betreten das "Rathaus" durch die einzige Tür, die sich überhaupt an diesem lang gezogenen Gebäude befindet. Dieser erste Raum scheint Vorzimmer, Touristeninformation und einfach alles andere gleichzeitig auch zu sein. Links neben der Tür steht ein Tisch, gefüllt mit Prospekten, die über Einkaufsmöglichkeiten bei direktvermarktenden Bauern Info bieten, sowie Bekanntmachungen, Infos über Mülltrennung und die Orte der aufgestellten Müllkontainer. Die Müllabfuhr kommt nämlich nicht ans Haus. Man entsorgt seinen Müll in schwarzen Mülltüten in die entsprechend aufgestellten Container. Unsere stehen vor dem Haus von Louisa und Walter. Es ist also eine bunte Mischung von allem was man dort in dem Vorraum findet. Unter anderem auch eine Klingel mit dem freundlichen Hinweis … "bitte klingeln".

Das machen wir und … nichts passiert. Nach ein paar Minuten Klingel ich noch einmal und eine Stimme ruft, dass wir noch kurz warten müssten. Wie in Deutschland. Behörden sind doch überall gleich, oder nicht?

Plötzlich öffnet sich die Tür und ein orange gekleideter Mann kommt aus dem Büro und kurz darauf noch ein zweiter. Dann erschallt es… Kommen Sie doch rein. Die Tür steht noch etwas geöffnet. Wir sehen eigentlich nicht viel. Erst als wir das Büro betreten sehen wir dass es klein ist. Links neben der Eingangstür ein Schrank. Direkt vor den Augen und mitten im Raum ein großer Schreibtisch im L-Format. Am kurzen Schenkel des "L" schaut man aus dem Fenster zu Kirche und dem Parkplatz. Am langen Schenkel des "L" stehen zwei Regale, der Stuhl der Mitarbeiterin, hinter ihr ein überdimensionaler Drucker, Kopierer und was der sonst noch alles kann. Rechts neben dem Schreibtisch zwei Büroschränke und an unserer Seite auch noch zwei Büroschränke. Alle Regale und Schränke waren bis auf den letzten Zentimeter beladen.

Hinter dem Schreibtisch saß die Sekretärin und auf dem einzigen freien Platz in diesem Büro stand ein Mann. Die Sekretärin, dunkelhäutig aber durch und durch Französisch stellte sich uns als Clairecile (Klärsill) vor und stellte uns den Mann als Bürgermeister Jacques le Creff vor. Und der wollte auch sofort wissen, welches Anliegen wir hätten. Ich erklärte, dass wir gerade zugezogen wären und wir uns nun anmelden wollten. Zu unserer Verwunderung verlief die nächste Stunde nicht verbissen amtlich, wie in Deutschland, sondern eher total locker. Wir mussten zunächst einmal die Neugierde stillen und erzählen, woher wir kamen und was uns nach Plusquellec getrieben hätte. Über die Beantwortung dieser Fragen mit Zwischen- und Nachfragen verging fast eine Stunde ohne dass etwas geschehen wäre. Nachdem es eigentlich nicht mehr viel zu erzählen gab und wir mittlerweile auch schon bei Jacques und Berti bzw. Clairecile und Maelle angekommen waren, sagte Jacques zu Clairecile, sie mögen uns doch dann bitte registrieren. Sie wandte sich uns ab, drehte ihren Bürostuhl einmal um 180 Grad, schnappte sich eine Kladde, drehte sich wieder zu uns, schnappte sich die Ausweise, die ich ihr auf den Tisch gelegt hatte und schaute rein. Dann fragte Sie, wo wir das Haus gekauft hätten und wer vorher dort gewohnt hat. Jacques erzählte ihr, dass wir unweit von Jeff (Jean Francois) wohnen würden. Jeff sitzt im Gemeinderat und ist im Rathaus wohl bekannt. Maja (so sollten wir der Einfachheit halber Clairecile nennen) nahm sich ein Radiergummi und radierte in der Kladde unseren lieben Catweazle und seine Frau aus und schrieb unsere Namen an dieser Stelle ein. Wir warteten auf mehr, weitere Amtshandlungen, eine Rechnung für die geleisteten Dienste. Scheinbar machte ich ein so blödes erwartungsvolles Gesicht, dass Maya fragte, ob sie noch etwas für uns tun müsse. Eigentlich würde ich auf die Rechnung warten. Die gab es aber nicht. Die letzten eineinhalb Stunden Entertainment und Dienstleistung waren gratis.

Trotzdem hatte ich da noch etwas, was ich Jacques fragen konnte. Ich wollte von ihm wissen, ob er eine Lösung für mein Elektroproblem anzubieten hätte. Da muss ein Elektriker her, sagte er und ich schilderte, dass ich bereits zwei ohne durchschlagenden Erfolg angerufen hätte. Jacques griff zu seinem iPhone, wählte eine Nummer und erzählte dem anderen am anderen Ende der Leitung von den Deutschen mit dem schwerwiegenden Elektroproblem. Ob er nicht mal nachschauen könne. Der Angerufene war Gilles, dem ich auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte und der sich nicht mehr gemeldet hatte. Er schien den Umstand der Vollbeschäftigung auch Jacques noch einmal zu erläutern, der aber nicht locker ließ.

Er würde nach der Mittagspause kurz bei uns reinschauen. In Frankreich gibt es ja glücklicherweise noch die Tradition, dass alle Arbeitnehmer zwischen 12:00 und 14:00 ihre Pause machen können und zum Essen entweder nach hause oder ins Restaurant fahren können. Wir würden nun auf jeden Fall sofort nach hause fahren und auf Gilles warten.

Lange mussten wir nicht warten. Er war absolut pünktlich, ließ sich von mir die Elektroinstallation zeigen und marschierte schnurstracks zum Linky, drückte hier, las dort was ab, prüfte mit einem Phasenprüfer, kontrollierte die Verkabelung und meinte dann. Alles in Ordnung. Die Anlage ist völlig in Ordnung. Welchen Vertrag ich denn abgeschlossen hätte. Linky würde ihm anzeigen, dass ich einen 6 KW Vertrag habe. Das könnte möglicherweise das Problem sein.

Wie, welchen Vertrag ich abgeschlossen hätte? Bernard hat doch gesagt, das ginge hier in Frankreich automatisiert. Der Notar würde die Eigentumsinformationen weitergeben. Stimmt das etwa auch nicht?

Und wieder einmal war ich den Erzählungen von unserem Lügenbaron von Catweazle auf den Leim gegangen.

Sofort, nachdem Gilles mit seinem Fahrzeug das Gelände verlassen hatte, setzte ich mich ans Telefon und wählte die Nummer von EDF.

Aber das ist wieder eine eigene Geschichte!