Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

Ein ziemlich verrückter Tag

Es ist Montag, der 06. Juni. Eigentlich ein Feiertag. Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich.

Dennoch haben wir für heute zwei Verabredungen zu Hausbesichtigungen treffen können. Maklerin Anne Moss wollte uns um 14:00 h ein Haus in Plusquellec zeigen. Anne Moss ist Britin, die es irgendwann in die Bretagne verschlagen hat. Insofern spricht sich ihr Name auch « Änn » aus. Anne Simon, eine französische Maklerin hatte sich für 16:00 h zu einer Besichtigung in Plemet bereit erklärt. Ihr Name wird Französisch « Ann » ausgesprochen.

Wir konnten es ruhig angehen lassen. Auch, wenn uns das Navi eine Reisedauer von über zwei Stunden anzeigte. Der Weg führte über Land.

Auch hier dann wieder eine kurze Erläuterung zur Bretagne. Seit « Anne de Bretagne », und das ist schon ein paar hundert Jahre her, darf in der Bretagne keine Straßenmaut erhoben werden. Das hat den positiven Ausfluss, dass der Reisende in der Bretagne Geld sparen kann, beinhaltet aber auch, dass es keine Autobahnen in der Bretagne gibt. Aber keine Sorge, die Bretonen investieren trotzdem in ihre Infrastruktur und bauen dafür ihre Nationalstraßen (N) alle vierspurig aus. Am Ende ergibt das Verkehrswege wie eben die Autobahnen auf denen dann eine maximale Geschwindigkeit von 110 km/h gilt. Und das sind immerhin 10 km/h die Stunde mehr, als auf niederländischen Autobahnen bei Tag.

Zurück zum Tagesablauf. Bei Jean-Marie (wir waren mittlerweile schon sehr gut miteinander befreundet) unserem Platzwart hatte ich, im Glauben, dass wir um ca. 08:00 h fahren müssten, ein Baguette, zwei Croissants und ein pain au chocolat für 07:30 h bestellt. Dabei aber völlig aus den Augen verloren, dass wir in Ruhe hätten frühstücken können. Unsere Bestellung lag tatsächlich um 07:30 h an der Rezeption bereit. Wir waren vom „bereit“ sein aber sicher noch eineinhalb Stunden entfernt. Dementsprechend runzelte « unser Chef de Camping » mächtig die Stirn, als ich mit über einstündiger Verspätung bei ihm auftauchte. Um mein Gesicht zu wahren, drückte ich ganz schön auf die Tränendrüse und warb um Verständnis dafür, dass ich ja schliesslich eine Frau und zwei jugendliche, vierbeinige Raufbolde hätte.

Um 09:30 h verliessen wir das Gelände und fuhren zu Martine, die uns heute begleiten würde. Sie war bei unserer Ankunft bereits startklar und wir konnten uns direkt auf den Weg machen.

Die Reise gestaltete sich abwechslungsreich und wir erinnerten uns an unsere Besuche, vor dieser fürchterlichen Pandemie, ohne zu ahnen, dass sich Ereignisse wiederholen könnten.

Wir erreichten den Ort unseres Treffpunktes Callac ungefähr 60 Minuten vor der vereinbarten Zeit unserer Besichtigung. So ungefähr hatten wir es bei unserer letzten Suche vor zwei Jahren auch erlebt. Eine knappe Stunde zu früh.

Wir beschlossen, die Zeit bis zu unserem Termin um vierzehn Uhr zu nutzen und noch etwas zu essen. Das war vor zwei Jahren genauso!

Wir fanden ein typisch französisches Restaurant, dass sogar geöffnet hatte. Das war vor zwei Jahren genauso.

Martine erzählte den Wirtsleuten, dass wir weniger als 60 Minuten für unser Essen, ein obligatorisches drei Gänge Menu, Zeit hätten. Das war vor zwei Jahren genauso.

Der Wirt garantierte uns den Einhalt des Zeitlimits, drehte sich, nachdem er die Bestellung aufgenommen hatte, um und ich hörte nur noch, wie er im Hintergrund in der Küche sein Personal einpeitschte.

Eh wir uns versahen standen drei Sangria vor uns. Das Lokal heißt Auberge Basque und die Eigentümer sind ein südfranzösisches und katalanisches Ehepaar. Helena und Peio.

Link:
https://www.aubergebasque-callac.com

Uns blieb nicht einmal die Zeit unsere Gläser zu leeren, da folgte bereits die Vorspeise. In meinem Fall eine Garbure, eine katalanische Suppenspezialität. So schnell Peijo (ja, wir sind seit gestern Duzfreunde) seine Héléna in der Küche antrieb um das Zeitlimit einzuhalten, so schnell mussten wir Gläser und Teller leeren. Natürlich hätte ich diese ganzen Köstlichkeiten gerne in Ruhe genossen, aber um 14:00 h wartete Anne (gesprochen Änn) Moss mit ihrem Kia mit britischem Kennzeichen auf dem Kirchplatz auf uns.

Mein nächster Gang war ein Kabeljaufilet auf Kartoffelpüree mit einer Meeresfrüchte -Spargelsauce!

Schnell, schnell, wir haben noch sieben Minuten bis zu unserem Rendez-vous. Kurz vor 14.00 h stand ich an der Kasse und bezahlte bei Helena. Ein spanischer Zeitungsartikel löste dann einen Vulkanausbruch aus. Helena und meine Frau erkannten ihre gemeinsame Sprachbasis, brandeten mit der spracheigenen Geschwindigkeit aufeinander los und fielen sich letztendlich in die Arme. Innerhalb von Sekunden schienen sie ihre gemeinsame Zukunft der nächsten dreißig Jahre geplant zu haben. Mit südeuropäischer Gestik konnten wir die zwei voneinander trennen.

Als wir deutlich nach 14:00 h am Treffpunkt ankamen, …. war keine Änn da! Wir warteten dennoch aber nichts geschah! Ich beschloss Änn anzurufen. Es meldete sich eine Stimme, die an Dinner for one, nach der siebzehnten Runde Alkohol erinnerte. Mael und Martine, die mit im Auto saßen, mussten derartig auffällig lachen, dass Mark, mein Gesprächspartner mit Verweis auf das Lachen, das auch ihm nicht verborgen geblieben war, auf seine Behinderung hinwies! Unterdrücken konnten die Frauen ihr Lachen dennoch nicht!

Mark, der Ehemann lies durchblicken, dass Änn unseren Termin schlichtweg vergessen hätte, sie sich aber sofort auf den Weg machen würde und in zwanzig Minuten am Treffpunkt wäre. Die Zeit verrann und Änn kam nicht. Unser nächster Termin war um 16.00 h anberaumt und die Reisezeit zwischen den Terminen betrug eine Stunde. Meine Ungeduld wurde auf die Prüfung gestellt und mein Beamtencharakter liess keine Verspätung zu.

Ich rief Mark erneut an um ihm mitzuteilen, dass wir die Besichtigung nun wohl sausen lassen müssten. Er antwortete, dass wäre sicher, dass Änn in wenigen Minuten da sein würde

Plötzlich kam ein Kia Richtung Kirchplatz gefahren. Ich hupe mit dem Licht, vergewissere mich, dass es kein französisches Kennzeichen ist und setze meinen Wagen zur Verfolgung in Bewegung.

Das Auto fährt weiter. Ist die denn blöd, warum hält die nicht erst an? Ich nähere mich mit erhöhter Geschwindigkeit und benutze nun die echte Hupe. Der Wagen vor mir wird schneller, gerade so als wolle er wie in einem Bond Film dem Verfolgerfahrzeug entkommen. Mein Volvo hat aber 186 PS und ist damit schnell genug, dem Kia keine Chance zur Flucht zu geben. Dann bin ich so nah, dass ich nun erkennen kann, dass es sich nicht um ein englisches, sondern um ein norwegisches Kennzeichen handelt und darin scheinbar keine Änn sitzt.

Ich lasse die verschreckte ältere Dame mit dem norwegischen Kennzeichen ihres Weges ziehen und schlage den Weg zurück zum Kirchplatz ein. Der älteren Dame merkt man am Fahrstil nun an, dass sie sichtlich erleichtert ist, ihren Verfolger abgeschüttelt zu haben.

Wir kehren also zum Kirchplatz zurück und das Telefon klingelt wieder. Mit der Freisprechanlage hören im Fahrzeug alle mit. Und wer sich im Umfeld von ca. 150 Metern vom Fahrzeug befindet hört ebenso und ungewollt mit!

Mark ist am Apparat und hat offensichtlich den Auftrag uns vor Ort zu halten. Er erzählt uns seine Krankengeschichte und empfiehlt mir eine bestimmte Marke LKW‘s zu kaufen. Die Mädels haben sich unterdessen Kleidungsstücke in den Mund gesteckt und die Nase zugehalten um ihr Lachen zu unterdrücken. Und was soll ich mit einem LKW?

Zum Glück fuhr dann der richtige Kia Sportage auf den Platz und ….

Rocky Horror Picture Show

Es war tatsächlich Anne. Von dem Moment, dass die Mädels sie sahen, war für sie klar, dass in dieser Familie einige Handicaps herrschen mussten. Alkohol mag dabei auch eine Rolle zu spielen.

Wer englische Filme und deren Humor mag, kann sich nun leibhaftig die liebe, nette Anne vorstellen. In den Niederlanden gab es mal eine Fernsehreihe … die Familie Flodder. Mehr brauche ich dazu nicht erläutern 😎 Wir schenkten ihr aber Glauben, dass Sie den Termin verpennt hätte. Nichts leichter als das.

Nach kurzer Begrüßung folgten wir ihr in unserem Auto von Callac ca. 2 km zu dem ersten Haus von Plusquellec!

Das Haus machte von außen bereits einen sehr aufgeräumten und attraktiven Eindruck.

Durch Anne‘s Verspätung blieben uns nun nur noch knappe 30 Minuten für die Besichtigung!

Was wir rund um das Haus an Gelände sahen war ebenfalls zufriedenstellend. Wir befanden uns auf einer Anhöhe mit einem unverbaubaren traumhaften Ausblick auf den gegenüberliegenden Hügel. Alles grün, soweit das Auge reichte und, was für mich sehr wichtig ist, keine Eoliens (Windräder) zu sehen oder zu hören. Das zu kaufende Gelände von 22500 qm erstreckte sich rechts und links vom Haus den Hügel aufwärts! Rechts die Einfahrt und Zufahrt zur „Almwiese“ und links ein geschmackvoll angelegter Gemüsegarten mit zwei Treibhäusern! Das war dann unser schneller Überblick. Die Halle in ca. 50 m Entfernung bei der sich auch Hühnerstall und Hundezwinger befanden konnten wir in Ermangelung der Zeit nur aus der Ferne ansehen!

Dann ging es ins Haus. Am Eingang zur Rechten befindet sich die Küche. Groß und geeignet um dort auch Essen zu können! Die Küchenzeile, fast neu würde drin bleiben.

Auf der gegenüberliegenden Seite das Wohnzimmer. Nicht so groß wie wir es gewohnt sind aber groß genug. Durch eine elegante Holztüre vom Wohnzimmer getrennt gibt es ein kleines Büro bzw. eine kleine Bibliothek. Die aktuellen Eigentümer sind Briten, was man an der Einrichtung bereits deutlich erkennen kann.

Man konnte sehen, dass die Familie nicht nur wegen unseres Besuches aufgeräumt hatten. Alles sah absolut propper aus!

In Windeseile huschten wir durch alle Schlafzimmer, Bäder und Toiletten und wurden in keinem Raum überrascht. Alles wie aus dem Ei gepellt. Selbst die Garage im Untergeschoss bot den Charakter eines Wohnzimmers. Das Haus ist voll unterkellert!

Ich stellte Bernard, dem englischen Eigentümer die für mich persönlich wichtigsten Fragen: Habt ihr hier Elektrizität? Bernard grinste und bejahte. Habt ihr fliessendes Wasser? Bernard erklärte mir sofort, dass wir sogar eine eigene Quelle hätten. Na, und habt ihr hier auch Internet? Stolz erzählte Bernard, dass es hier sogar schon Glasfaser gäbe.

Wir bekamen glänzende Augen. Das Alles für nur 220.000€? Die Hütte vom ersten Tag war unattraktiv gelegen, höchstgradig renovierungsbedürftig und dabei 30.000€ teurer!

Wer bis nun die Nr. 1 auf unserer Liste war ist ja wohl absolut klar 😇

Mit einer Verspätung von ca. 35 Minuten machten wir uns zum nächsten Termin mit der anderen Anne auf.

Diese Anne war eine waschechte Bretonin und hatte nur ein begrenztes Zeitfenster für uns geöffnet. Also …. ab nach Plemet. Ich hoffe nicht, dass mir noch Bußgelder wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit nachgesendet werden.