Die nächste Phase

Wir ziehen nach Frankreich

The day after

Heute hieß es wieder …. Abschied nehmen. Heute werden die letzten direkten Verbindungen in die Heimat ihre Heimreise antreten. Das war ein echtes Abenteuer. Innerhalb von drei Tagen in Deutschland alles abbrechen und nach Frankreich verfrachten. Alle waren erschöpft, hatten deshalb trotz der widrigen Umstände, dass es kein Hochsommer mehr war, gut geschlafen. In der zweiten Nacht konnte man auf die Erfahrungen der ersten Nacht zurückgreifen. Die Abreise war für 08:00 h spätestens vorgesehen. Da lugten aber die letzten Mohikaner aber erst aus ihren Zelten und mussten erst noch einmal ihre Morgentoilette erledigen. Dieser Zug hatte also Verspätung :-).

Nicht nötig, zu erwähnen, dass irgendwann die Zeit auch keine Rolle mehr spielt. Da reicht es sogar noch für Mannschaftsfotos. Bitte recht freundlich. Klick. Im Kasten. Dann kam der schwerste Part. Wir standen rum, wußten das wir uns verabschieden müssten und irgendwie bekam keiner so richtig die Kurve. Es dauerte und ließ, als es anfing die Tränen rollen. Ich war vermutlich wieder derjenige, der am meisten heulte. Bianca ist auch recht gut darin und versucht mir immer den Rang abzulaufen. Auch wenn so eine Entscheidung, den Lebensmittelpunkt in ein anderes Land zu verlegen, irgendwann ausgereift und unumstößlich geworden ist, kommt es dennoch zu starken Gefühlsregungen. Zum meinem ersten Enkelkind Levin habe ich eine ganz besondere Beziehung. Nicht nur, weil er das erste Enkelkind war, vielmehr auch, weil er ein Junge ist und ich gemeinsam mit ihm schon einige sehr schöne Reisen verbracht habe. Männerurlaube. Wanderurlaube. Wir waren zweimal im Pitztal, einmal in der Rheinpfalz und einmal im Sauerland. Ich war von meinem kleinen Begleiter sehr überrascht. Ich habe mit ihm, vor allem im Pitztal bei den Bergtouren, Unterhaltungen führen dürfen, bei denen er mit mir auf einer Augenhöhe war. Über diese Souveränität in seinem Auftreten war ich erstaunt und stolz gleichzeitig. Da war er gerade einmal 13 Jahre alt.

Und nun stand ich da, drückte ihn ganz fest an mich, während ich vor mich hin heulte, und merkte, dass ich ihn mehr als alle anderen vermissen würde. Nach dem Heulkonzert hieß es dann "Aufsitzen", alle Mann an Bord. Roland und Stefan im LKW und Bianca und Levin im Verfolgungsfahrzeug. Wir reden hier nun über knapp Pausen Kilometer, die Roland und Bianca nun alleinig als Fahrer ihrer Fahrzeuge fahren müssten. Das ist kein Pappenstiel. Aber ich hatte zu beiden großes Vertrauen. Bianca ist für mich eine der besten Autofahrerinnen überhaupt, eine Chauffeurin, bei der ich auf Reisen Zeit unserer Ehe auf dem Beifahrersitz geschlafen habe. Und Roland ist in dieser Hinsicht ebenfalls über jeden Zweifel erhaben.

Wieder verfolgten wir den Fortschritt der Reise über unsere iPhones. Nachdem die Truppe nach dem Verlassen des Campingplatzes erst noch bei Intermarché auftankte und gleichzeitig noch ein paar Lebensmittel einkaufte, dauerte die Reise dann doch bis fast vor Mitternacht an. Dann aber kam von mehreren Seiten die Erfolgsmeldung, dass man sicher angekommen sei.

Während die anderen ihren Tag auf der Autobahn und auf Rastplätzen verbrachte, nutzten wir die Zeit die ersten Dinge zu erledigen, an die wir ab sofort denken mussten. Wir waren zwar noch in Urlaub, würden aber in 14 Tagen die Schlüssel für unser neues Haus erhalten. Natürlich konnten wir keine Großeinkäufe tätigen, denn wir standen ja noch auf dem Campingplatz aber "gucken kostet nix".

Unser Ziel war Intermarché um dort ein paar Lebensmittel für die nächsten Tage auf dem Campingplatz einzukaufen. Intermarché gehört mit zu den größten Supermärkten in Frankreich. Ich mag den Laden, weil er im Gegensatz zu den anderen Geschäften regionale Produkte anbietet. Eine ähnliche Philosophie wie die von EDEKA oder REWE in Deutschland. Darunter befinden sich auch eine Menge Eigenmarken, die zwar von regionalen Produzenten aber unter Markennamen von Intermarché angeboten werden.

https://www.intermarche.com/magasins/04391/Redon-35600/infos-pratiques

Das Gebäude des Supermarktes in Redon "Cap Nord" beherbergt auch eine Apotheke, einen Lotto- und Zeitungsladen, einen Schuster, eine Bar (Kneipe), eine Wäscherei, eine Bäckerei, ein Schuhgeschäft, Jaffray meinen Lieblings- Fischhändler, einen Optiker und …. einen Friseur. Ich kann euch gar nicht sagen, wie lange ich mich nun schon unwohl fühlte. Immer dann, wenn meine Haare eine bestimmte Länge erreicht haben und sich das eine oder andere Haar gegen den Wind aufbäumt - Leute, das fühle ich, ich kann euch sogar sagen, welches Haar das war - dann muss ich mir unbedingt das Haupthaar kürzen. Ihr habt richtig gehört. Das mache ich selber. Und das hat Geschichte. Irgendwann vor gefühlten 100 Jahren war ich in Goch
. Zum Friseur, so wie immer, lediglich ein anderer Friseur. Ich hatte an dem Tag Pech und geriet scheinbar an eine Auszubildende. Damals trug ich meine Haare noch lang. Zuhause angekommen, fiel meine damaligen Frau Bianca die Kinnlade runter. Sie war so was von böse, dass sie mich, kaum dass ich Das Haus betreten hatte wieder zu dem Friseur schickte. Ich gehorchte. Peinlich berührt erzählte ich dort, dass ich das noch nicht so perfekt fand. Dass meine Frau mich zurück geschickt hatte, traute ich mich nicht zu sagen. Aber auch dieser zweite Besuch war ein Schlag ins Wasser. Kaum war ich zuhause, packte mich Bianca und fuhr mit mir zum Friseur. Nun wißt ihr, warum ich schon seit ewigen Zeiten kurzes Haar trage. Zum Schaden der Friseure, denn seither hat mir Bianca und später ich selber mir dann die Haare geschnitten.

Auf dem Campingplatz konnte ich das gerade nicht, denn meine professionelle Haarschneidemaschine lag in einem Karton, in unserem Hangar, seit gestern. Und natürlich hätte ich weder die entsprechende Kiste noch den Haarschneider gefunden. Also beschloss ich zu meinem Wohlbefinden den Friseurladen zu betreten und zu fragen, ob sie Zeit für mich haben.

Mehrere Frauen und ein Mann liefen beschäftigt umher oder bearbeiteten gerade feuchte oder lockengewickelte Köpfe. Der Mann sah mich stehen und kam auf mich zu. Ich fragte ihn, ob ich eine Chance auf einen Termin hätte. Er drehte sich etwas zur Seite, rief einen Namen und fragte ob die Person gerade frei wäre. Zu meiner großen Freude gab es für mich nicht nur die Möglichkeit eines Termines sondern auch eine supernette, gut aussehende Thailänderin.

Ich solle mich ausziehen. Sie meinte nur die Jacke. Und nun dort hinsetzen. Was ich mir den vorstellte. Tja … also alles auf drei Millimeter, Oben auf dem Kopf, den Bart und den Schnauzer. Sie schnappte sich ihren professionellen Bartschneider und schon ging es los. Wechsel zu einem feinen und kleinen Gerät um die Lippen und Ohren und schon sah ich wieder ganz normal aus. Ob ich die Haare auch gewaschen haben möchte? Ich dachte, egal, was kostet die Welt? Heute nehme ich alles mit. Dann kommen Sie mal hier rüber. Etwas weiter hinten im Lokal gab es mehrere Waschtische. Ich stampfte meiner Friseurin hinterher. Nee, sagte sie, ich müsse mich in den Stuhl setzen, sonst könne sie mir die Haare ja nicht waschen. Alle anderen lachten.

Mit großer Zärtlichkeit machte sie sich an die Arbeit das zu waschen, was ja eigentlich nun gar nicht mehr da war. Aber diese Massage war göttlich. Ich überlegte, ob ich nicht nur die Massage buchen könnte. Täglich… nach dem Frühstück. Dann durfte ich wieder zurück zum Föhnen und etwas in die Haare schmieren. Ob es mir gefiel? Breites Grinsen und überzeugendes "oui" rausgebracht. Ab zur Kasse. Bar oder mit Karte? Wieviel, fragte ich? 10 €! Wie jetzt, die Zeit, der Arbeitsaufwand, der Stundenlohn, die Materialkosten, die Steuern und dann nur 10 €?

Ganz aufgeregt erzählte ich das Maelle, die sich sofort für den nächsten Tag auch einen Termin sicherte.